Zur Gefährlichkeitseinstufung eines Hundes, Abgrenzung Miniatur Bullterrier zum Standard Bullterrier, Old English Bulldog und Listenhunde Die wichtigsten Änderungen der Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz NRW

Änderungen der Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz NRW

Der Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 2. Mai 2003 (MBl. NRW. S. 580) wurde durch den Runderlass vom 25. Juli 2017 geändert. Die wichtigsten Änderungen sollen hier kurz dargestellt werden.

1.Die Gefährlichkeit eines Hundes im Sinne des § 3 LHundG NRW soll nunmehr ausdrücklich durch einen Tierarzt des für den Zuständigkeitsbereich der örtlichen Ordnungsbehörde zuständigen Kreisveterinäramtes erfolgen. Zuvor wurde lediglich geregelt, dass die Begutachtungen und Feststellungen durch einen amtlichen Tierarzt erfolgen sollen. Dies bedeutet, dass der Hundehalter wie dies bisher möglich war und auch hilfreich nunmehr keine Möglichkeit hat, seinen Hund durch einen anderen Amtstierarzt als den örtlich zuständigen begutachten zu lassen.

Falls ein Beißvorfall im oder am eigenen Territorium des Hundes stattgefunden hat, muss der zu beurteilende Hund nun am Ort der Hundehaltung von dem örtlich zuständigen Amtstierarzt begutachtet werden. Dabei reicht eine Begutachtung allein nach Aktenlage nicht aus. Es ist sicherzustellen, dass die Ordnungsbehörde im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung eine sachverständige Unterstützung durch das örtliche Veterinäramt erfährt. Dabei soll die Ordnungsbehörde das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten, ist allerdings nicht daran gebunden.

 

2. Die neue Verwaltungsvorschrift stellt nunmehr klar, dass es sich bei Miniatur-Bullterriern und Bullterriern um verschiedene Rassen handelt. Daher unterfallen Miniatur-Bullterrier ausdrücklich nicht den Regelungen des § 2 des Hundeverbringungs- und – Einfuhrbeschränkungsgesetzes und auch nicht der Regelung des § 3 Abs. 2 LHundG.

Auch nach den von der FCI und dem VDH anerkannten Rassestandards sind Bullterrier und Miniatur-Bullterrier Hunde verschiedener Rassen. Dabei werden Bullterrier unter dem FCI Standard Nr. 111 beschrieben, Miniatur-Bullterrier unter der Nr. 359. Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal ist danach allein die Widerristhöhe. Diese soll bei Miniatur-Bullterriern nicht höher als 35,5cm sein. Überschreitet ein Hund diese Höhe erheblich, so handelt es sich bei dem Hund um einen Standard Bullterrier im Sinne der FCI Nr. 11.

Ab wann eine Größenabweichung erheblich ist, wird allerdings nicht festgelegt. Dies bedeutet, dass der Miniatur Bullterrier, wenn er erheblich von der Größe von 35,5 abweicht als Standard Bullterrier im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW eingestuft werden kann und damit nur unter den engen Voraussetzungen des Gesetzes gehalten werden darf. Im schlechtesten Falle bedeutet dies, wenn z.B. das öffentliche Interesse (siehe Ziff 3) nicht nachgewiesen werden kann, der Hund nur dann bei seinem Halter verbleiben darf, wenn er aus dem Tierschutz stammt.

 

3. Hinsichtlich der Voraussetzungen eines öffentlichen Interesses an der Haltung eines gefährlichen Hundes wird nun festgehalten, dass im Einzelfall ein öffentliches Interesse dann angenommen werden kann, wenn nach der Überzeugung der örtlichen Ordnungsbehörde und des Veterinäramtes der Verbleib eines gefährlichen Hundes bei der Antrag stellenden Person aus Gründen des Tierschutzes, insbesondere zur Vermeidung eines Tierheimaufenthaltes bei einer bereits länger andauernden, gefestigten Hund-Halter-Beziehung angezeigt ist und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist. Diese Regelung bedeutet eine durchaus positive Entwicklung insbesondere mit Blick auf die Problematik des Miniatur Bullterriers. Weiterhin werden jedoch die Halter der Hunde des § Abs 2 LHundG NRW, wenn sie die dort aufgeführten Rassen in Umgehung der eindeutigen gesetzlichen Regelungen halten. Dies bedeutet grundsätzlich, dass unverändert die dort aufgeführten Rassen nur dann in Nordrhein-Westfalen gehalten werden dürfen, wenn diese aus dem Tierschutz stammen. (Vor Erwerb eines Hundes der Rasse des § 3 Abs. 2 LHundG NRW sollte definitiv das zuständige Ordnungsamt oder ein spezialisierter Anwalt befragt werden)

 

4. Im Rahmen des Leinenzwangs nach § 5 Abs. 2 LHundG wird festgehalten, dass eine kommunale Satzungs- oder Verordnungsregelung, wonach ohne Rücksicht auf Art und Größe der Hunderassen für das gesamte Gemeindegebiet ohne zeitliche Ausnahme ein genereller Leinenzwang besteht, unverhältnismäßig ist und damit unzulässig sind. Die artgerechte Haltung von – auch gefährlichen – Hunden verlangt nämlich, dass diese sich hin und wieder auch ohne Leine bewegen können müssen. Die Hundehalterin/der Hundehalter hat dies sicherzustellen.

 

5. Das Verpaarungsverbot des § 9 Satz 2 LHundG ist nach dem Wegfall des bundesrechtlichen Zuchtverbots auch für Züchter der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG aufgeführten Rassen als Zuchtverbot zu verstehen. Das bundesrechtliche Zuchtverbot wurde zwischenzeitlich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ( 1 BvR 1778/01) für nichtig erklärt. Die Intention des Landesgesetzgebers, die Zucht mit nach § 3 Abs. 2 LHundG gefährlichen Hunden zu verbieten, besteht jedoch fort. Der Begriff des Verpaarens betrifft dabei die natürliche Zucht, lediglich das Züchten im Wege der künstlichen Befruchtung wird von diesem Begriff nicht umfasst.

Für Hunde bestimmter Rassen im Sinne des § 10 Abs. 1 besteht dagegen kein Zuchtverbot.

 

6. Wegen der fehlenden Verweisung ist bei der Einstufung von Hunden als Kreuzungen im Sinne von § 10 Abs. 1 LHundG zu beachten, dass § 3 Absatz 2 Satz 3 nicht angewendet wird. Als Kreuzung im Sinne des §10 Abs. 1 gilt jede Kreuzung mit einem der in dieser Vorschrift genannten Hunde. Maßgeblich ist dabei ein rein biologisch-zoologischer Kreuzungsbegriff, ohne dass es darauf ankommt, in welcher Generation und mit welchem Anteil das Tier von einem Hund einer dort genannten Rasse abstammt. Bei der Zuordnung zu einer Rasse oder Kreuzung kommt es hier daher, anders als in § 3 Abs. 2, nicht auf das deutliche Hervortreten phänotypischer Merkmale an. Vielmehr können die äußere Erscheinung im gleichen Maße wie andere Aspekte, zum Beispiel Abstammungsnachweise etc., als Indizien herangezogen werden.

Die zuständige örtliche Ordnungsbehörde trifft die Zuordnung zu einer Rasse aufgrund einer Gesamtschau der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen.

So lange der Old English Bulldog nicht als eigenständige Rasse anerkannt ist, fallen Hunde dieser Kategorie entweder unter § 10 Abs. 1, oder bei deutlichem Hervortreten der des Phänotyps des Pitbull Terriers unter § 3 Abs. 2 LHundG. Bei einem Old English Bulldog handelt es sich nämlich um eine Rückzüchtung aus English Bulldogs, Bullmastiffs, American Bulldogs und Pitbull Terriern. Mindestens führen sie daher zu 1/3 Blut von Hunden bestimmter Rassen (siehe auch auch Beitrag https://kanzlei-sbeaucamp.de/old-english-bulldog-einstufung-als-listenhund/ ).

Hunde der Rassen Cane Corso und Dogo Canario sind hingegen keine Hunde im Sinne des § 10 Abs. 1. Sie sind nicht mit Hunden der Rasse Alano gleichzusetzen.

 

7. Der Zuverlässigkeitsmaßstab für große Hunde nach § 11 Abs. 2 LHundG ist nach der neuen Verwaltungsvorschrift ein anderer als für gefährliche oder in § 10 gelistete Hunde. Die Zuverlässigkeitskriterien an die Halterperson sind hier weniger streng zu handhaben.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Zuchtverbot für American Staffordshire Terrier

Zuchtverbot für American Staffordshire Terrier

Entscheidung des OVG Koblenz vom 06.05.2014 – 7 A 11079/13

Das OVG Koblenz hatte sich im vorbenannten Verfahren mit der Frage zu beschäftigen, ob das Zuchtverbot für American Staffordshire Terrier rechtmäßig ist.

Die Vorgeschichte:

Eine rheinland-pfälzische Hundezüchterin betrieb eine 1995 genehmigte, gewerbliche American Staffordshire Terrier-Zucht. Als der Landesgesetzgeber im Jahre 2000 die Zucht dieser Tiere verbot, erhielt die Züchterin die Ausnahmegenehmigung, mit ihrem verbleibenden Bestand die Zucht aufrechterhalten zu dürfen. Als sich ihr Bestand minderte beantragte sie bei der zuständigen Behörde die Genehmigung zur Aufnahme einer weiteren Hündin und eines weiteren Rüden dieser Rasse und die Genehmigung zur Weiterzucht. Gegen die behördliche Ablehnung dieses Antrags erhob sie erfolglos Klage vor dem VG Neustadt an der Weinstraße.

Im Zuge dessen legte sie Berufung gegen diese Entscheidung beim OVG Koblenz ein.

Doch auch die Berufungsinstanz hielt das Zuchtverbot für rechtmäßig.

Die Begründung:

Das OVG Koblenz beschloss, dass keine Zweifel an der Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung im Sinne des § 124 II Nr.1 VwGO bestünden. Die Rasse American Staffordshire Terrier gilt gemäß § 1 II LHundG bereits aufgrund dieser Rassezugehörigkeit als gefährlich. Nach § 2 I LHundG ist es Verboten mit gefährlichen Hunden zu züchten oder zu handeln.

So weit so klar. Die Crux der Entscheidung bestand nun darin, inzident die Frage zu erörtern, ob denn die rassebedingte Gefährlichkeitsvermutung bereit nicht schon rechtswidrig ist. In diesem Fall würde das Zuchtverbot ins Leere laufen oder zumindest nicht für die Klägerin gelten.

Doch auch hier entschied das OVG, dass keine ernstlichen Zweifel an der rassebedingten Gefährlichkeitsvermutung ersichtlich seien:

Der Landesgesetzgeber habe die Aufgabe potentielle Gefahren für die Bevölkerung abzuwehren und notwendige Maßnahmen zu unternehmen, um der Entstehung eventueller Gefahren vorzusorgen. Hierbei hat er einen weitreichenden Einschätzungs- und Prognosespielraum. Als der Landesgesetzgeber die Rasselisten einführte lagen ihm Beißstatistiken und wissenschaftliche Gutachten vor, die zumindest die nicht fernliegende Kausalität zwischen bestimmten Rassezugehörigkeiten und durch Hunde verursachte Schadensereignisse belegten. Indem der Gesetzgeber hierauf mit einer rassespezifischen Gefährlichkeitsvermutung reagierte, sei dies in zulässiger Weise von seinem Einschätzungsspielraum zum Zwecke der Gefahrenabwehr gedeckt gewesen.

Nichts anderes entschied einst das BVerfG. Es stellte aber klar, dass gewisse Statistiken und Gutachten ein Indiz, jedoch kein sicherer und für alle Zukunft gültiger Beweis seien. Insofern der Gesetzgeber später die hinreichende Erkenntnis erlange, dass die vermutete Gefährlichkeit entsprechender Rassen doch nicht bestünde und die Aufrechterhaltung dieser Regelung somit untragbar sei, so müsse er auch von dieser Praxis abweichen und die Rasseliste zumindest anpassen.

Das OVG Koblenz ging in seiner Entscheidung nicht davon aus, dass eine Anpassung notwendig sei. Zwar habe die Klägerin Gutachten und andere wissenschaftliche Arbeiten vorgelegt aus denen hervorgehe, dass eine rassespezifische Gefährlichkeit nicht per se angenommen werden kann. Das OVG befand allerdings, dass die vorbenannten Gutachten nicht geeignet seinen den Gefährlichkeitsverdacht dahingehend zu widerlegen, dass die entsprechenden Rassen über eine genetische Verhaltenweise verfügen, die zumindest mit anderen Ursachen wie der Haltung und Erziehung des Tieres zu einer höheren abstrakten Gefährlichkeit führen können als dies bei anderen Rassen der Fall sei. Insofern die Vermutung also nicht hinreichend widerlegt werden könne sei an der Rechtmäßigkeit der Rasseliste festzuhalten.

Auch sei die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten aus Art. 14, 12 und 2 II GG verletzt. Beim Zuchtverbot bestimmter Rassen sei der Klägerin der Beruf des Züchters als solcher nicht verboten. Die Regelung habe lediglich eine berufsregelnde Tendenz, die in Anbetracht der Zumutbarkeit und der entgegenstehenden übergeordneten Interessen des Gemeinwohls, namentlich der Schutz der Bevölkerung, zulässig sei.

Ich kenne das oben zitierte Gutachten nicht, daher kann ich die „Güte“ der Urteilsgründe nicht beurteilen. Ich würde mir aber wünschen, dass zukünftig den Gerichten überzeugende und fundierte Argumente an die Hand gegeben werden, um die Diskrimierung der betroffenen Rassen endgültig beenden zu können.