NHundG (Niedersachsen) 2011

Die Für und Wider!

NHundG (Niedersachsen) 2011 Das Niedersächsische Hundegesetz verzichtet seit 2011 erfolgreich auf die Rasselisten.http://www.recht-niedersachsen.de/21011/nhundg.htm

Als einst die antiken Römer erstmals zielgerichtet stämmige, muskulöse Hunde züchteten (sogenannte Molosser) und sie erfolgreich in ihren Schlachten einsetzten, wurde ihren Feinden wahrhaftig bewusst, was man unter einem „Kampfhund“ zu verstehen hat:

Eine abgerichtete Bestie – wendig, stark und angriffslustig!

Nachdem sich die Kriegsführung der Römer wandelte und ihre „Kampfhunde“ überflüssig wurden, setzte man die bis dahin entstanden Rassen als Hirtenhunde, später als schmusige Luxustiere ein. Die selben Rassen! Allein aufgrund einer gewissen Rassenzugehörigkeit den Charakter und die Nutzungsmöglichkeit des Hundes zu bestimmen, lag den Herrschaften jener Zeit fern.

Ein paar tausend Jahre später wollte der moderne Mensch es einmal anders versuchen. Nicht mehr die Abrichtung und das spezielle feindliche Training, vielmehr die genetische Veranlagung eines Tieres sollten die Frage beantworten, was einen gefährlichen Hund ausmacht. Als sich Ende des letzten Jahrhunderts die Beißvorfälle mehrten, sprang unter anderem Niedersachsen mit viel Schwung auf den „Panik-Zug“, der quer durch die Bundesrepublik reiste und mit viel Dampf in Richtung „Sicherheit der Bevölkerung“ zufuhr. Um bei diesem Bild zu bleiben lässt sich weiter ausführen: Der Zug entgleiste!

Die Bundesländer legten Beißstatistiken an und stellten fest, dass sich die unerwünschten Vorfälle speziell bei gewissen Rassen häuften. Nun lag die Vermutung nahe, dass augenscheinlich die Rassezugehörigkeit dieser Hunde für das aggressive Verhalten der Tiere kausal war. Eine Fehleinschätzung! Zugegeben: Wer einen „Kampfhund“ für sog Hundekämpfe einsetzen möchte, bemüht sich nicht mit der Ausbildung eines Dackels. Es gibt natürlich Rassen, die sich aufgrund ihrer Beißkraft, Größe und Muskulatur um einiges besser hierfür eignen. Aber sind diese Tiere bereits wegen ihrer Rasse besonders gefährlich oder macht sie erst der Mensch zu einer Gefahr? Ein Schuh mit dicker und fester Sohle eignet sich auch viel besser zum schmervollen Tritt als die Pantoffel. Doch ist es nicht Irrsinn den Wanderschuh daher zu verbieten? Muss man nicht eher den Menschen packen, der in dem Schuh steckt?

Mit Sicherheit nicht diese, aber ähnliche Erwägungen stellte Niedersachsen im Jahre 2011 an. Nachdem das Land zuvor ebenfalls auf die Rasseliste setzte und die Gefährlichkeit jener Hunde unwiderlegbar vermutete, revolutionierte der vernünftige Gedanke das Landes-Hundegesetz. Seitdem steht nicht mehr der Hund unter Generalverdacht. Es ist eher der Halter, der sich beweisen muss.

Das novellieret Hundegesetz geht grudsätzlich davon aus, dass die Gefährlichkeit eines Hundes die fatale Folge menschlichen Versagens darstellt. Insofern soll sowohl die präventive, als auch die repressive Gefahrenabwehr hauptsächlich am Menschen vorgenommen werden. Hunde werden vorerst wertneutral behandelt. Es gibt keinen Hund mehr, der von seiner Geburt an mit dem Gefährlichkeitsverdacht behaftet wird. Dies heißt aber in der Konsequenz, dass die Haltungsanforderungen für diejenigen steigen, die vor der Gesetzesänderung als Halter „normaler“ Hunde vor staatlichen Kontrollen überwiegend verschont blieben.

Nunmehr muss jeder Hundehalter mindestens zwei Sachkundeprüfungen bestehen. Gemäß § 3 hat der am Kauf interessierte Hundeliebhaber vor dem Erwerb eine theoretische Prüfung zu absolvieren. Während des ersten Jahres der Haltung ist ferner ein praktischer Test zu meistern. Hierbei sollen nach § 3 Abs. 2 die Fähigkeiten und Kenntnisse des Halters überprüft, und somit Sorge getragen werden, dass der Mensch sich alles zwanghaft aneignet, was den friedlichen Umgang zwischen Mensch und Tier voraussetzt.

Der Tierschutz, das Sozialverhalten und Eigenschaften von Hunden, die Erziehung, Ausbildung, der Umgang, das Erkennen, bzw. Beurteilen von Gefahrensituationen – dies kreisabhängig mehr oder weniger detailliert – stellen die zu prüfenden Anforderungen dar, welche seit 2011 jedem Hundehalter abverlangt werden.

Die Prämisse wird deutlich: Gefahrenabwehr durch menschliche Schulung!

Als eine weitere, weniger Neuerung, eher Intensivierung des neuen Hundegesetzes erging eine umfassende Versicherungs-, Melde- und Registrierungspflicht. Hundehalter müssen gemäß § 4 ihre Tiere ab einem Alter von 6 Monaten mit einem implantierten Chip (einem ISO-genormten Transponder) kennzeichnen. Nach § 5 müssen Pflichtversicherungen abgeschlossen werden mit einer Mindestversicherungssumme von 500.000 Euro für Personen- und 250.000 Euro für Sachschäden. Darüber hinaus sind Hundehalter gemäß § 6 verpflichtet, alle wesentlichen Erkennungsdaten ihres Hundes, sowie zu ihrer Person einem zentralen Register zur Verfügung zu stellen.

Das neue Hundegesetz will es nicht dem Zufall überlassen, ob ein Geschädigter die Möglichkeit erhält, seine Einbußen vom Halter reguliert zu bekommen. Durch die Datenspeicherung soll der schnelle Rückgriff auf den Halter gewährleistet werden, während die Pflichtversicherung die Garantie liefert, dass genügend Kapital vorhanden ist. Somit ist der zweite Telos diese Novelle weniger auf die Gefahrenabwehr gerichtet. Vielmehr soll der Regress im Falle eines unerwünschten Vorfalls besser und strikter geklärt werden.

Trotz Abschaffung der Rasselisten geht das neue Hundegesetz natürlich weiterhin davon aus, dass es gefährliche Hunde gibt. Wie bereits erwähnt wird dies aber nicht mehr aufgrund Rassezugehörigkeiten vermutet. Die Gefährlichkeit der Tiere ergibt sich nunmehr direkt aus ihrem Verhalten.

Sie wird nicht mehr vermutet, sondern festgestellt!

Erhält die Behörde den Verdacht, dass ein Hund durch Bisse, andere Verhaltensweisen, durch falschen Umgang oder ähnliches eine gesteigerte Aggressivität im Sinne des § 7 aufweist, so prüft sie, ob von dem Tier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Ist dies der Fall, so werden Halter und Hund fast wie gewohnt in die Pflicht genommen.

Ab dem Zeitpunkt der positiven Gefährlichkeitsfeststellung ist der Hund außerhalb des Grundstücks nach §§ 9, 14 anzuleinen und mit Beißkorb zu versehen. Gemäß § 13 muss das Sozialverhalten des Tieres von einem speziell zugelassenen Tierarzt im Wege eines Wesenstestes erneut überprüft werden. Fällt dieser Test positiv aus, so bleibt der Hund zwar als gefährlich eingestuft, die Behörde kann allerdings die oktroyierte Leinenpflicht aufheben. Fällt der Test negativ aus, so ergeht ein gänzliches Haltungsverbot. Die Behörde geht in diesem Fall davon aus, dass der Hund eine derartige Gefahr für die Öffentlichkeit verkörpert, dass seine Haltung gegenüber der Bevölkerung nicht weiter zu verantworten ist.

Besteht der gefährliche Hund aber den Wesenstest, so benötigt zudem jeder, der diesen Hund hält oder einmal halten will die ausdrückliche Erlaubnis der entsprechenden Behörde. Die Erlaubnis wird nur erteilt, wenn der Antragsteller hohen Anforderungen gerecht wird. Nach den §§ 10-12 liegen diese Anforderungen vor allem wieder in seiner Person. Der Antragsteller darf weder vorbestraft, noch alkohol- oder drogenabhängig sein. Ebenso muss er psychisch und physisch in der Lage sein den Hund sicher zu führen. Dies setzt vor allem seine Volljährigkeit voraus.

Der potentiell gefährliche Hund soll lediglich von den Personen gehalten und geführt werden, die hiervon ausgehenden Risiken und Schäden sicher verhindern können.

Und um den neuen Regelungen auch den nötigen Nachdruck zu verleihen, ahndet das Gesetz nach § 18 jede Zuwiderhandlung mit Geldbußen bis zu 10.000 Euro. Egal ob der Verstoß auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln beruht.

Die tägliche Anwaltsalltag zeigt jedoch, dass insbesondere die Regelungen des § 7 NHundG praxisfremd und zu absurden Konsequenzen für Hund und Halter führt. Kleinste Bissverletzungen, die z.B einer hundlichen Kommunikation entspringen, werden mit der Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes geahndet. Hintergründe, Motivation und Tathergang müssen nach dem Wortlaut des Gesetzes http://www.nds-voris.de/jportal/portal/page/bsvorisprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-HundHaltGND2011pP7  berücksichtigt werden. Der Gefahrenverdacht reicht aus; dies wurde unlängst von der Rechtssprechung bestätigt so z.B.https://openjur.de/u/697669.html.

Die Abschaffung der Rasselisten ist richtig und war längst fällig, aber die Regelung zur individuellen Gefährlichkeitsfeststellung des § 7 NHundG ist nach meinem Dafürhalten praxisfremd und mehr als unglücklich formuliert.

 

Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG

Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG

Niedersächsisches OVG  Beschluss 11 ME 423/11.
Die Gefährlichkeit eines Hundes in Niedersachsen nach dem NHundG kann von der Behörde bereits dann festgestellt werden, wenn der Hund erstmals und einmalig einen Artgenossen beißt.
Dies entschied das Niedersächsische OVG in seinem Beschluss 11 ME 423/11.
Geklagt hatte die Halterin einer Boxermischlingshündin. Ihr Tier befand sich besuchsweise auf einem fremden, nicht umschlossenen Grundstück. Als die Hündin, hiervon ab, auf die anliegende öffentliche Straße lief, begegnete ihr ein Jack-Russel-Terrier. Zwischen den Tieren ereignete sich eine Auseinandersetzung, wobei der Boxermischling den Terrier in das Ohr biss und hierdurch eine blutende Wunde verursachte. Die zuständige Behörde stellte daraufhin die Gefährlichkeit der Mischlingshündin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 NHundG fest. Hiernach heißt es, dass die Fachbehörde einen Hinweis, ein Hund weise eine gesteigerte Aggressivität auf, insbesondere weil er einen anderen Hund gebissen habe, prüfen müssen und bei Bestätigung dieser Prüfung die Gefährlichkeit des Tieres festzustellen hat. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der Biss ihres Hundes keine gesteigerte Aggressivität anzeige, sondern zum tierisch bedingten Normalverhalten eines Hundes zähle. Die Gefährlichkeitsfeststellung sei nicht angemessen.
Das vorangegangene Verwaltungsgericht gab der Klägerin zunächst Recht. Es entschied, dass ein Beißvorfall zwischen Hunden per se die Gefährlichkeit des Tieres nach § 7 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 NHundG nicht vermuten lässt. Vielmehr müssten weitere Hinweise vorliegen, nach denen von einer gesteigerten, also nicht art- und situationsgerechten, Aggressivität auszugehen ist.
Diese Einschätzung teilte das OVG als Beschwerdeinstanz jedoch nicht. Es entschied, dass jeder Hundebiss, sofern er nicht nur ganz geringfügige Verletzungen verursacht, bereits ausreiche, um die Gefährlichkeit eines Hundes annehmen zu können. Da OVG begründete diese Entscheidung damit, dass § 7 Abs. 1 NHundG der Gefahrenvorsorge diene. Um effektiv die öffentliche Sicherheit zu wahren und die Bevölkerung hierbei vor bissigen Hunden zu schützen, sei es erforderlich, bereits frühzeitig nötige Maßnahmen zu treffen. Dieser Schutz sei nicht möglich, wenn entsprechende Maßnahmen erst beim Vorliegen konkreter Gefahren getroffen werden können. Vorbeugender Schutz sei nur durch vorsorgliches Einschreiten, bereits beim Vorliegen abstrakter Gefahren garantiert. Hiernach sei folglich ein Beißvorfall bereits für die Gefährlichkeitsfeststellung ausreichend, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedürfe.
Insofern durch diese Feststellung im Einzelfall bedenkliche und unangemessene Folgen für Tier und Halter zu befürchten sind, zum Beispiel weil sich der betroffene Hund nach umfassender Betrachtung als gesellschaftsverträglich erweist, so ändert dies nichts an der ersten Einschätzung der Behörde. Vielmehr seien in solchen Fällen die Rechtsfolgen entsprechend anzupassen. Eine solche Anpassung sieht § 14 Abs. 3 S. 2 NHundG vor, wonach ein als gefährlich eingestuftes Tier nach bestandener Wesenprüfung vom Leinenzwang befreit werden kann.