Unfruchtbarmachung eines „gefährlichen“ Hundes

Rechtmäßigkeit einer Verpflichtung zur Unfruchtbarmachung eines „gefährlichen“ Hundes

VG Weimar, Urteil vom 31.03.2015, 11 K 1119/14

Eine Unfruchtbarmachung von „gefährlichen“ Hunden kann grundsätzlich von den Bundesländern in ihren Landeshundegesetzen geregelt werden. Ob die sich auf ein solches Gesetz berufende Umsetzung und damit Anordnung der Unfruchtbarmachung eines Hundes jedoch einen Verstoß gegen das Amputationsverbot aus § 6 Abs. 1 Tierschutzgesetz darstellt, ist fraglich.

Der Sachverhalt:

Es handelt sich bei der Klägerin des Falles um die Halterin einer American-Staffordshire-Terrier-Mischlingshündin. Mit Bescheid vom 30.11.2012 wurde der Klägerin von der Beklagten, der Stadt Weimar, das Halten ihrer Hündin erlaubt. Einer Erlaubnis bedurfte es, da es sich bei einem American-Staffordshire-Terrier um einen gefährlichen Hund im Sinne des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren handelte.

§ 3 Tiergefahrengesetz:

(2) Als gefährliche Hunde im Sinne dieses Gesetzes gelten

Hunde, der Rassen Pitbull-Terrier, American-Staffordshire-Terrier, Bullterrier, sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden.

..“

Innerhalb des Erlaubnisbescheides wurde die Klägerin dann verpflichtet, die Bescheinigung über eine Unfruchtbarmachung ihrer Hündin innerhalb von vier Wochen vorzulegen. Einer solchen Unfruchtbarmachung wollte die Klägerin ihre Hündin allerdings nicht unterziehen.

Daher erhob die  gegen jenen Bescheid Widerspruch, welcher allerdings vom Thüringer Landesverwaltungsamt am 31.07.2014 zurückgewiesen wurde.

Am 06.09.2014 erhob die Halterin des American-Staffordshire-Terrier-Mischlings Klage gegen den Bescheid der Stadt Weimar.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Weimar:

Im Wesentlichen verwies die Klägerin in ihrer Klageschrift auf die Begründung ihres erhobenen Widerspruchsbescheides. Darin hieß es, dass eine derartige Verpflichtung zur Unfruchtbarmachung gegen das Amputationsverbot verstoße, welches im § 6 Abs. 1 TierSchG normiert sei. Demnach ist eine Amputation nur in Ausnahmefällen erlaubt. Eine solche Ausnahme sei vorliegend jedoch nicht ersichtlich, da mithilfe der Unfruchtbarmachung weder eine unkontrollierte Fortpflanzung unterbunden werden solle noch eine Haltung erst ermöglicht werden.  

Das Verwaltungsgericht  erklärte den ergangenen Bescheid zur Unfruchtbarmachung für rechtmäßig.

Zur Begründung führte das Gericht an, dass zunächst einmal bei dem American-Staffordshire-Terrier-Mischling der Klägerin um einen Hund handelt, der aufgrund seiner genetischen Veranlagung unwiderlegbar als „gefährlich“ im Sinne des Gesetzes gilt, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Thüringer Tiergefahrengesetz gilt. Aufgrund seiner Gefährlichkeit ist er gemäß § 11 Abs. 4 Thüringer Tiergefahrengesetz mit Eintritt der Geschlechtsreife unfruchtbar zu machen, soweit keine Ausnahmegenehmigung vorliegt.

§ 11 TierGefG:

..(4) Hunde, deren Gefährlichkeit aufgrund genetischer Veranlagung unwiderlegbar vermutet wird (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1), sind mit Eintritt der Geschlechtsreife unfruchtbar zu machen, soweit eine Ausnahmegenehmigung nach Absatz 2 nicht erteilt ist.

…“

Diese Regelung innerhalb des Thüringer Tiergefahrengesetzes sei auch verfassungsmäßig.

Insbesondere habe das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom 16.03.2004 (1 BvR 1778/01) bereits zum Zuchtverbot für bestimmte Hunderassen Stellung genommen.

Auch für die Rasse des Staffordshire-Bullterriers hat das Bundesverfassungsgericht es für gerechtfertigt gehalten, dass mithilfe des bisherigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes, davon ausgegangen werden könne, dass allein aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hunderasse sich dessen Gefährlichkeit ergebe.

Das hohe Gewicht des Schutzes des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit innerhalb des Gesetzes biete eine ausreichende Grundlage um Vorkehrungen gegen den Eintritt von Schädigungen durch Hunde der erwähnten Rassen zu treffen. Auch müsse dabei Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen von Beißvorfällen genommen werden.

Auch führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass Regelungen die zur Unfruchtbarmachung von Hunderassen verpflichten, verhältnismäßig seien. Verhältnismäßig heißt, dass die Regelung einem legitimen Zweck dienen soll, für die Zielerreichung dieses Zweckes auch geeignet ist, es keine milderen Mittel gibt um diesen Zweck zu erreichen und dass die Regelung angemessen ist.  Angemessen ist die Regelung, wenn die Nachteile, die mit ihr verbunden sind nicht völlig außer Verhältnis zu der Erreichung des Ziels stehen.

Diese Voraussetzungen träfen auf die Regelung zur Unfruchtbarmachung zu.

Insbesondere seien die Gefahren für das entsprechende Tier, die bei dem chirurgischen Eingriff zur Unfruchtbarmachung bestünden, in Abwägung mit der Zielerreichung in Kauf zu nehmen. Liege eine besondere Gefährdungskonstellation vor, bei der es zu schwersten Verletzungen oder dem Tod des Tieres kommen kann, seien Ausnahmen möglich.

Jedoch sind im vorliegenden Fall nach Ansicht des Verwaltungsgerichts keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme zugunsten der Klägerin ersichtlich. Gefahren allgemeiner Art, welche bei einer Kastration auftreten können sind bei Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit hinzunehmen, da der Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen ein hohes Schutzgut darstellen.

Folglich ist der ergangene Bescheid zur Unfruchtbarmachung der American-Staffordshire-Terrier-Mischlingshündin rechtmäßig. Der § 11 Abs. 4 TierGefG ist eine zulässige Ausnahme des in § 6 Abs. 1 TierSchG normierten Amputationsverbots.

Die Berufung gegen dieses Urteil wurde zwischenzeitlich zugelassen.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

 

Anmerkung der Unterzeichnerin: Die von diesem Gerichte vertretene Auffassung, dass sich allein aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hunderasse deren Gefährlichkeit ergäbe, wird ausdrücklich nicht geteilt. Die Unterzeichnerin ist der Auffassung, dass es heutzutage ausreichend kynologische und verhaltensbiologische Gutachten gibt, die das Gegenteil bestätigen.

Es wird Zeit, dass nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Gerichte diesen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen in ihrer Bewertung der rassespezifischen Gefährlichkeit Rechnung tragen.

 

 

Zuchtverbot für American Staffordshire Terrier

Zuchtverbot für American Staffordshire Terrier

Entscheidung des OVG Koblenz vom 06.05.2014 – 7 A 11079/13

Das OVG Koblenz hatte sich im vorbenannten Verfahren mit der Frage zu beschäftigen, ob das Zuchtverbot für American Staffordshire Terrier rechtmäßig ist.

Die Vorgeschichte:

Eine rheinland-pfälzische Hundezüchterin betrieb eine 1995 genehmigte, gewerbliche American Staffordshire Terrier-Zucht. Als der Landesgesetzgeber im Jahre 2000 die Zucht dieser Tiere verbot, erhielt die Züchterin die Ausnahmegenehmigung, mit ihrem verbleibenden Bestand die Zucht aufrechterhalten zu dürfen. Als sich ihr Bestand minderte beantragte sie bei der zuständigen Behörde die Genehmigung zur Aufnahme einer weiteren Hündin und eines weiteren Rüden dieser Rasse und die Genehmigung zur Weiterzucht. Gegen die behördliche Ablehnung dieses Antrags erhob sie erfolglos Klage vor dem VG Neustadt an der Weinstraße.

Im Zuge dessen legte sie Berufung gegen diese Entscheidung beim OVG Koblenz ein.

Doch auch die Berufungsinstanz hielt das Zuchtverbot für rechtmäßig.

Die Begründung:

Das OVG Koblenz beschloss, dass keine Zweifel an der Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung im Sinne des § 124 II Nr.1 VwGO bestünden. Die Rasse American Staffordshire Terrier gilt gemäß § 1 II LHundG bereits aufgrund dieser Rassezugehörigkeit als gefährlich. Nach § 2 I LHundG ist es Verboten mit gefährlichen Hunden zu züchten oder zu handeln.

So weit so klar. Die Crux der Entscheidung bestand nun darin, inzident die Frage zu erörtern, ob denn die rassebedingte Gefährlichkeitsvermutung bereit nicht schon rechtswidrig ist. In diesem Fall würde das Zuchtverbot ins Leere laufen oder zumindest nicht für die Klägerin gelten.

Doch auch hier entschied das OVG, dass keine ernstlichen Zweifel an der rassebedingten Gefährlichkeitsvermutung ersichtlich seien:

Der Landesgesetzgeber habe die Aufgabe potentielle Gefahren für die Bevölkerung abzuwehren und notwendige Maßnahmen zu unternehmen, um der Entstehung eventueller Gefahren vorzusorgen. Hierbei hat er einen weitreichenden Einschätzungs- und Prognosespielraum. Als der Landesgesetzgeber die Rasselisten einführte lagen ihm Beißstatistiken und wissenschaftliche Gutachten vor, die zumindest die nicht fernliegende Kausalität zwischen bestimmten Rassezugehörigkeiten und durch Hunde verursachte Schadensereignisse belegten. Indem der Gesetzgeber hierauf mit einer rassespezifischen Gefährlichkeitsvermutung reagierte, sei dies in zulässiger Weise von seinem Einschätzungsspielraum zum Zwecke der Gefahrenabwehr gedeckt gewesen.

Nichts anderes entschied einst das BVerfG. Es stellte aber klar, dass gewisse Statistiken und Gutachten ein Indiz, jedoch kein sicherer und für alle Zukunft gültiger Beweis seien. Insofern der Gesetzgeber später die hinreichende Erkenntnis erlange, dass die vermutete Gefährlichkeit entsprechender Rassen doch nicht bestünde und die Aufrechterhaltung dieser Regelung somit untragbar sei, so müsse er auch von dieser Praxis abweichen und die Rasseliste zumindest anpassen.

Das OVG Koblenz ging in seiner Entscheidung nicht davon aus, dass eine Anpassung notwendig sei. Zwar habe die Klägerin Gutachten und andere wissenschaftliche Arbeiten vorgelegt aus denen hervorgehe, dass eine rassespezifische Gefährlichkeit nicht per se angenommen werden kann. Das OVG befand allerdings, dass die vorbenannten Gutachten nicht geeignet seinen den Gefährlichkeitsverdacht dahingehend zu widerlegen, dass die entsprechenden Rassen über eine genetische Verhaltenweise verfügen, die zumindest mit anderen Ursachen wie der Haltung und Erziehung des Tieres zu einer höheren abstrakten Gefährlichkeit führen können als dies bei anderen Rassen der Fall sei. Insofern die Vermutung also nicht hinreichend widerlegt werden könne sei an der Rechtmäßigkeit der Rasseliste festzuhalten.

Auch sei die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten aus Art. 14, 12 und 2 II GG verletzt. Beim Zuchtverbot bestimmter Rassen sei der Klägerin der Beruf des Züchters als solcher nicht verboten. Die Regelung habe lediglich eine berufsregelnde Tendenz, die in Anbetracht der Zumutbarkeit und der entgegenstehenden übergeordneten Interessen des Gemeinwohls, namentlich der Schutz der Bevölkerung, zulässig sei.

Ich kenne das oben zitierte Gutachten nicht, daher kann ich die „Güte“ der Urteilsgründe nicht beurteilen. Ich würde mir aber wünschen, dass zukünftig den Gerichten überzeugende und fundierte Argumente an die Hand gegeben werden, um die Diskrimierung der betroffenen Rassen endgültig beenden zu können.

Rasseliste für Hunde

Rasseliste für Hunde in Schleswig-Holstein soll abgeschafft werden…..

Die zu recht umstrittene Rasseliste für Hunde soll in Schleswig-Holstein zum Ende 2015 abgeschafft werden. Noch vor der Sommerpause wollen die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und SSW gemeinsam mit der FDP ein neues Hundegesetz durch den Landtag bringen. Das neue Gesetz soll zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. «Mit den Änderungen, die aus der schriftlichen und mündlichen Anhörung hervorgegangen sind, wird das Gesetz zum modernsten Hundegesetz Deutschlands», sagte der FDP-Tierschutzpolitiker Oliver Kumbartzky am Donnerstag. Seine Fraktion hatte die Initiative auf den Weg gebracht. 

 http://www.shz.de/nachrichten/newsticker-nord/neues-hundegesetz-soll-2016-in-kraft-treten-id9068211.html

Man darf gespannt sein, insbesondere vor dem Hintergund der Praxis der Behörden in Niedersachsen nach sog. Beissereien von Hunden. Auch in Niedersachsen gibt es keine Rasselisten mehr, aber kleinste Beisserein werden mit der Gefährlichkeitsfeststellung geahndet und ziehen massive Auflagen nach sich.