Unzuverlässigkeit Hundehalteverbot

Unzuverlässigkeit Hundehalteverbot

VG Minden, Urteil vom 14.09.2016, 11 K 240/16

Eine Haltungsuntersagung für Hunde kann rechtmäßig sein, wenn es dem Halter der Hunde an der erforderlichen Zuverlässigkeit mangelt.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin und ihr Mann hielten seit 2008 mehrere Huskies auf ihrem Grundstück.

Bei einer Besichtigung durch die beklagte Ordnungsbehörde wurde festgestellt, dass von den neun Huskies, die sich auf dem Grundstück befanden gerade einmal vier angemeldet waren. Im Eigentum der Klägerin standen nach ihren Angaben sieben Huskies, die anderen beiden seien Pflegehunde.

Nach Angaben einiger Nachbarn kam es im Jahr 2014 und 2015 wiederholt zu Hetzereien einiger Rehböcke durch die Huskies, die das Grundstück der Klägerin verlassen hätten.

Zudem ereignete sich im April 2015 ein Unfall, als die Klägerin mit ihrem Ehemann mit dem Huskygespann auf einem öffentlichen Weg unterwegs waren und dabei auf eine Frau trafen. Sie wurde von den Hunden umgefahren und musste sich aufgrund dieses Vorfalls in physiotherapeutische Behandlung begeben und leidet noch heute unter Schmerzen.

Zu jenem Vorfall äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass sie die Ausfahrten mit dem Huskygespann nur in verkehrsarmen Zeiten mache.

Durch die Beklagte wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Durchführung von Schlittenrennen auf öffentlichen Straßen zwar nicht verboten sei, sie allerdings zukünftig die gebotene Vorsicht und Rücksichtnahme auf Fußgänger einhalten müsse.

Im Juni wiederum wurde eine Frau vor ihrem Haus von fünf der Huskies angegriffen und ihr Hund wurde bei dem Vorfall so schwer verletzt, dass er eingeschläfert werden musste. Die Frau erlitt mehrere Hundebisse an den Händen und musste stationär ins Krankenhaus.

Nach Angaben der Klägerin sei es wohl den männlichen Huskies gelungen durch die Haustür das Haus zu verlassen. Im Rahmen einer Begutachtung des Grundstücks wurde festgestellt, dass der Zaun komplett intakt war und die Hunde lediglich durch die Haustür entkommen können.

Aufgrund dieses Vorfalls im Juni wurde eine Ordnungsverfügung gegen die Klägerin erlassen,

  • dass ihre neun Huskies außerhalb des ausbruchssicheren umfriedeten Grundstücks nur noch an einer Leine, die maximal eine Länge von 1,5 m besitzt und mit einem Maulkorb oder einer in der Wirkung gleichstehenden Vorrichtung geführt werden dürfe
  • es dürfen nur Personen die Hunde einzeln ausführen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben
  • sobald die Hunde im Bereich des Gartens ausgeführt werden, dürfe das Gartentor nicht benutzt werden. Zudem sei bereits im Garten Leine und Maulkorb anzulegen und die Hunde seien durch die Räumlichkeiten des Hauses hindurch zu führen, eine Schleusenfunktion der Türen zwischen Garten und Haus soll gewährleisten, dass kein Hund versehentlich durch eine Tür entwischt.
  • das Tor des Gartens sei innen mit einem Türknauf zu versehen, sodass die Hunde es nicht öffnen können
  • zur Feststellung einer möglichen Gefährlichkeit sind die Hunde einem amtlichen Tierarzt vorzuführen und das Ergebnis der Verhaltensprüfung bei der Stadt vorzulegen. Einen Monat später soll bei negativem Ausfall des Tests Ziffer 1-4 und 6 außer Kraft treten.
  • Würden die Tiere an einen Dritten abgegeben, seien Name und Anschrift des neuen Halters anzuzeigen. Außerdem ist der neue Halter in Kenntnis über die vorläufigen Sicherheitsnamen zu setzen.

Bei Nichtbeachtung der vorläufigen Ordnungsverfügung droht der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 €.

Ende Juni jedoch erhielten Mitarbeiter der Polizei erneut Hinweise über freilaufende Huskies. Ein Husky konnte bei Eintreffen der Polizei gefunden werden. Nach Aussage der Klägerin seien drei der Huskies ausgebüchst, aber inzwischen zurück gekehrt. Sie wisse nicht, wie sie das Grundstück verlassen konnte und vermutete, dass ihr Zaun manipuliert worden sei. Eine derartige Manipulation konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Daraufhin wurden sieben der Hunde durch die Beklagte in Tierpension und Tierheim verbracht.

Die anderen zwei verblieben zunächst bei der Klägerin, mussten später jedoch auch in private Verwahrung gegeben werden.

Nachdem die Klägerin einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erhob und dieser im Juli 2015 abgelehnt wurde, wurden von der Beklagten im Januar 2016 zwei Ordnungsverfügungen erlassen, die der Klägerin und ihrem Mann die Haltung von Hunden im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 LHundG untersagt wurde.

Gegen diese Ordnungsverfügung ging die Klägerin vor.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts:

Das Verwaltungsgericht Minden erklärte die Ordnungsverfügung für rechtmäßig.

Die Klägerin weise nach Würdigung aller Vorfälle im Zusammenhang mit der Hundehaltung nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG NRW auf.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen ferner in der Regel Personen nicht, die insbesondere…

2. wiederholt oder schwerwiegend gegen Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen haben.

Bei der Feststellung der Unzuverlässigkeit handele es sich um eine auf das zukünftige Verhalten ausgerichtete Prognose, bei der das Verhalten des Betroffenen auch im Klage- und Verwaltungsverfahren berücksichtigt werden könne. Insbesondere Aussagen, die das Geschehene bagatellisieren und Schuldzuweisungen bei Anderen suchen, können Zweifel daran begründen, ob der Betroffene gewillt und in der Lage sei, in Zukunft die Vorschriften des LHundG zu beachten.

Indem die Klägerin nicht rechtzeitig die Hunde anmeldete liege ein Verstoß gegen das LHundG vor. Bei dem Beißvorfall im Juni 2015 sei eine Frau von den Hunden der Klägerin angegriffen wurden und der Hund der angegriffenen Frau wurde tödlich verletzt. Die Klägerin erhob den Einwand, dass die Geschädigte Mitschuld an dem Geschehen habe, weil sie versucht habe ihren Hund von den Huskies der Klägerin zu trennen. Daher entstanden der Auffassung der Klägerin nach die Verletzung an ihren Händen. Jedoch entstand gerade diese Situation dadurch, dass die Huskies nur durch ein unachtsames Verhalten der Klägerin aus der Tür entwischen konnten.

Dafür könne nur die Klägerin verantwortlich gemacht werden so das Gericht.

Auch bei dem Vorfall mit dem Schlittenzug versuchte die Klägerin die Geschädigte für ihre erlittenen Verletzungen verantwortlich zu machen. Sie habe den vorhanden Gehweg nicht genutzt und sei daher verantwortlich für die Kollision mit dem Huskyschlitten.

Nachdem erneut Huskies nach Erlass der Ordnungsverfügung von dem Grundstück fliehen konnten, beharrte die Klägerin dann darauf, dass jemand ihren Zaun manipuliert habe. Dies konnte durch die Polizei nicht festgestellt werden. Allerdings wurde dabei festgestellt, dass Zwischenräume zwischen Zaun und Boden unvollständig verschlossen waren, sodass dies eine mögliche Flucht der Huskies förderte. Allerdings war die Klägerin nach der ergangenen Ordnungsverfügung verantwortlich für ein ausbruchssicheres umfriedetes Gartengrundstück. (Ziffer 1)

Mithin fehlt es der Klägerin an der erforderlichen Zuverlässigkeit zur Hundehaltung, sodass die ergangene Haltungsuntersagung für Hunde rechtmäßig erging.

Copyright

Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Haltungsuntersagung § 12 LHundG

VG Gelsenkirchen: Der Halter ist nach einer Haltunsguntersagung nicht verpflichtet, seinen Hund in ein Tierheim zu geben

Haltungsuntersagung § 12 LHundG

 

 

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08. März 2016, AZ: 19 K 4476/14

Das VG Gelsenkirchen hat in seinem Urteil vom 08. März 2016 für Hundehalter im Umgang mit der Behörde wichtige Leitsätze formuliert und dabei zweierlei klar gestellt:

Erstens macht es deutlich, dass sich Hundehalter ihrer Verantwortung gegenüber der Behörde nicht einfach dadurch entziehen können, dass sie das Tier verschenken. So formulierte es in einem seiner Leitsätze: „Halter eines Hundes bleibt, wer den Hund tatsächlich an eine im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG nicht geeignete Person abgegeben hat.“(§ 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW lautet: „Im Falle der Untersagung kann angeordnet werden, dass der Hund der Halterin oder dem Halter entzogen wird und an eine geeignete Person oder Stelle abzugeben ist.“) Damit schneidet das Gericht konsequent denjenigen den Weg ab, die sich auf diese Weise den Ordnungsbehörden gegenüber aus ihrer Verantwortung für das Tier stehlen wollen.

Zweitens stuft es aber auch ein von der Behörde häufig praktiziertes Vorgehen als nicht mit dem LHundG NRW vereinbar ein: So dürfe dem Hundehalter nicht vorgeschrieben werden, dass er seinen Hund an ein  Tierheim abzugeben habe, denn das Gesetz spreche in § 12 Abs. 2 Satz 4 nur von einer „geeigneten Person oder Stelle“.

Zugrunde liegend war der Fall einer Frau, deren Hund (ca. 55 cm Schulterhöhe, ca. 30 kg) nach dem Ergebnis eines amtstierärztlichen Gutachtens „deutliche phänotypische Merkmale“ aufweise, „die darauf hinweisen, dass ein oder beide Elternteile einer in § 3 Abs. 2 LHundG aufgeführten Hunderasse (American Staffordshire Terrier) angehören“. Daraufhin hatte sie eine Haltererlaubnis beantragt, die die Behörde aber nicht erteilte, da die Frau 2011 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung verurteilt worden war. Gleichzeitig mit der Versagung der Erlaubnis wurde ihr die Haltung des Hundes untersagt und sie wurde dazu aufgefordert, das Tier an ein bestimmtes Tierheim abzugeben. Dem kam sie jedoch nicht nach, sondern machte stattdessen gegenüber der Behörde geltend, sie habe den Hund bereits vor der Versagung der Erlaubnis an ihren Ehemann verschenkt, von dem sie sich aber mittlerweile getrennt habe und der den Hund mitgenommen habe; infolgedessen sei es ihr nicht möglich, den Hund an das Tierheim abzugeben.

Ihre Argumentation ließ das VG Gelsenkirchen in diesem Punkt nicht gelten. Es behandelte die Frau ungeachtet dessen, dass ihr Mann den Hund bei sich habe, als verantwortlich für das Tier, und führte aus: „Halter im Sinne des Landeshundegesetzes ist zunächst jeder, der nach der Verkehrsanschauung im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände darüber entscheidet, ob Dritte den vom Tier ausgehenden Gefahren ausgesetzt werden, der die Betreuungsmacht über das Tier im eigenen Interesse ausübt, die Kosten für dessen Unterhalt und das Risiko seines Verlustes trägt.“

Dass der Hund an den Mann verschenkt worden ist, mache für die Verantwortlichkeit der Frau keinen Unterschied, so das Gericht weiter: „Aus der Sonderregelung des § 5 Abs. 6 Satz 1 LHundG (Anmerkung: Dieser lautet: „Die Abgabe oder Veräußerung eines gefährlichen Hundes darf nur an Personen erfolgen, die im Besitz einer Erlaubnis nach § 4 sind.“) folgt ebenso wie aus der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG (Anmerkung: s.o.), dass die durch die Haltung eines Hundes begründete ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit erst endet, wenn das Tier an eine geeignete Person oder Stelle abgegeben worden ist.“

Wer diese „geeignete Person oder Stelle“ konkret sei, habe die Behörde allerdings nicht zu bestimmen, stellte das VG klar, und gab der Frau insoweit recht: „Die Anordnung, den Hund an eine von der Ordnungsbehörde festgelegte Stelle, insbesondere ein bestimmtes Tierheim, abzugeben, ist von § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG nicht gedeckt. Die Vorschrift ermöglicht nur die Anordnung, dass der Hund an eine geeignete Person oder eine geeignete Stelle abzugeben ist.“ (weiterer Leitsatz des Urteils). Dabei müsse die Behörde prüfen, ob weniger belastende Maßnahmen als die Unterbringung in einem Tierheim Abhilfe schaffen könnten. Insbesondere aus Gründen des Tierschutzes seien hierbei andere Unterbringungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei einer Privatperson, in Erwägung zu ziehen. Wichtig ist nur, dass (wie aus § 5 Abs. 6 LHundG folgt) diese Privatperson nur dann geeignet in diesem Sinne ist, wenn sie bei der Abgabe des Hundes im Besitz einer Erlaubnis nach § 4 LHundG ist.

Damit macht das VG Gelsenkirchen zwei Dinge unmissverständlich deutlich, was jedem Hundehalter eigentlich klar sein sollte: Wer die Verantwortung für ein Tier übernimmt, hat sie auch in schwierigen Situationen und auch gegenüber Behörden und Gerichten zu tragen. Andererseits schränkt es die Anordnungsbefugnisse der Ordnungsbehörden in NRW aber in einem konkreten Punkt deutlich ein. Ein Bescheid, der den Hundehalter dazu verpflichtet, sein Tier „im Tierheim XY“ abzugeben, wird nach dieser Rechtsprechung daher fortan als rechtswidrig eingestuft werden und keinen Bestand haben können, sodass unbedingt dazu zu raten ist, gegen einen solchen Bescheid umgehend mit anwaltlicher Hilfe vorzugehen.