Hundehaltung – Gefahren von Rudelspaziergängen

VG Würzburg, Urt. v. 13.10.16 – W 5 K 15.1135

 

Sachverhalt:

Die Ehefrau des Klägers ging mit vier Hunden gleichzeitig spazieren. Als sie einem zehnjährigen Mädchen begegnete, die ihren Toy-Terrier ausführte, kam es zu einem Vorfall dessen genauer Hergang zwischen den Parteien umstritten ist. Das Mädchen wurde dabei jedenfalls mehrfach in den Unterarm gebissen und musste ärztlich behandelt werden. Die Ehefrau des Klägers gab an, dass vermutlich der von ihr geführte Mischling „L“ zugebissen habe, was auch durch Aussagen von Zeugen gedeckt wurde.  In Folge des Vorfalls wurde der Ehefrau des Klägers zur polizeilichen Auflage i.S.d. § 11 PAG gemacht, dass sie das Rudel in Zukunft nur noch entweder getrennt (maximal zwei Hunde gleichzeitig) oder mit Hilfe einer zweiten geeigneten Person ausführen dürfe.

Nachdem die beklagte Gemeinde festgestellt hatte, dass der Rüde „L“ steuerlich auf den Ehemann angemeldet war, erließ sie gegen den Ehemann als Halter des Hundes mehrere Anordnungen. Unter anderem sei durch ausbruchsichere Unterbringung zu gewährleisten, dass der Hund sicher verwahrt wird, also weder unbeaufsichtigt das Grundstück verlassen, noch die sich auf dem Grundstück befindlichen Personen gefährden könne. Zudem dürfe der Hund außerhalb befriedeten Besitztums nur an einer reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband geführt werden und müsse innerhalb des bebauten Gebiets zusätzlich einen Maulkorb tragen. Außerhalb bebauten Gebiets könne er auch ohne Maulkorb und an einer Schleppleine ausgeführt werden. Er dürfe dabei auch nur von einer geeigneten Person geführt werden. Für Zuwiderhandlungen wurde ein Zwangsgeld von 400€ festgesetzt.

Der Kläger hat eingewandt, dass er weder Halter noch Eigentümer von „L“ sei und daher bereits der falsche Adressat des Bescheids. Außerdem ist er der Ansicht, dass nicht der Rüde das Mädchen gebissen habe. Bei „L“ handele es sich nicht um einen gefährlichen Hund, vielmehr habe er mit Erfolg eine Begleithundeprüfung abgelegt.

 

Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht gab dem Kläger Recht und hob den Bescheid der Beklagten auf. Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Eine vor Erlass des Bescheids ausgebliebene Anhörung des Klägers war für die Entscheidung insofern unerheblich, als dass der Verfahrensfehler durch eine im Verfahren nachgeholte Anhörung geheilt werden konnte. Zwar sei die Beklagte als zuständige Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass von der streitgegenständlichen Hundehaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so dass die Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten vorlagen, jedoch seien die getroffenen Anordnungen nicht vollständig von der Rechtsgrundlage des § 18 II LStVG gedeckt und seien ermessensfehlerhaft. Insgesamt sei die Anordnung als unverhältnismäßig anzusehen.

Eine Anordnung zur Haltung von Hunden nach § 18 II LStVG darf durch die zuständige Sicherheitsbehörde nur verfügt werden, wenn eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum im Einzelfall vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schaden, d.h. einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter, kommt. Ist es bereits zu einem Beißvorfall gekommen, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle. Einer weiteren Nachprüfung über die Gefährlichkeit des Hundes, etwa durch ein Gutachten, bedarf es dann nicht mehr. Für die Bejahung einer konkreten Gefahr kommt es dabei nicht darauf an, ob von dem Hund eine gesteigerte Aggressivität ausgeht oder ob der Vorfall auf einem hundetypischen Verhalten beruhte. Bei der Aufklärung des Sachverhalts darf die Behörde grundsätzlich auch von der Richtigkeit von Zeugenaussagen ausgehen. Der Erlass von Anordnungen zur Hundehaltung nach § 18 II LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Dies umschließt sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen. Die getroffenen Anordnungen müssen verhältnismäßig sein, also zur Gefahrenabwehr geeignet, erforderlich und angemessen.

Vorliegend hat die Beklagte keinen Gebrauch von ihrem Auswahlermessen gemacht. Der Bescheid erhielt keinerlei Begründung darüber, warum hier lediglich Anordnungen hinsichtlich der Haltung des einzelnen Rüden getroffen wurden und nicht hinsichtlich der Rudelhaltung als solcher, wie es zum Beispiel durch die polizeiliche Anordnung geschehen war, obwohl die Gefahr hier gerade von der Rudelhaltung in Form des Ausführens mehrerer Hunde durch nur eine Person ausging. Die Behörde hätte Erwägungen anstellen müssen, welche Art der Anordnung zur Gefahrenabwehr geeigneter gewesen wäre.

Die Anordnung hinsichtlich des Schutzes von Personen, die sich auf dem Grundstück der Eheleute aufhalten, ist auch nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt. § 18 II LStVG ermächtigt die Gemeinden nur zum Erlass von Anordnungen, soweit die Haltung von Hunden in öffentlichen Anlagen, sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen im Sinne des § 18 I betroffen ist, nicht aber auf privaten Grundstücken. Die Beklagte war daher nicht dazu befugt, eine Anordnung zu erlassen, nach der der Rüde innerhalb des eigenen Grundstücks in bestimmter Weise zu halten ist, soweit es nicht um die Abwehr von Gefahren für Dritte außerhalb des Grundstücks geht, zum Beispiel durch ein mögliches Entweichen vom Grundstück. Es wurde allerdings zu keiner Zeit vorgetragen, dass der Rüde sich jemals unbeaufsichtigt von dem Grundstück entfernt habe.

Auch die ausnahmslose Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen war unverhältnismäßig, da sie dem Bewegungsbedürfnis des großen Hundes nicht ausreichend Rechnung trägt. Die Beklagte hätte zumindest prüfen müssen, ob geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang ausgenommen werden können.

Schließlich war der Bescheid auch deswegen rechtsfehlerhaft, weil er sich (ausschließlich) gegen den Kläger richtete. Gemäß § 9 I Satz 1 LStVG sind dann, wenn das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder einer anderen Sache Maßnahmen nach diesem Gesetz notwendig macht, diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten; ausnahmsweise können die Maßnahmen auch gegen andere Personen gerichtet werden, und zwar zusätzlich oder alternativ (§ 9 I Satz 2 und 3 LStVG). Vorliegend kommt primär der Hundehalter als Adressat in Betracht. Halter ist, wer ein eigennütziges Interesse an der Haltung des Hundes und die Befugnis hat, über dessen Betreuung und Existenz zu entscheiden. Eigentum bzw. Eigenbesitz sind für die Bejahung der Haltereigenschaft nicht Voraussetzung, belegen jedoch das eigennützige Interesse und das Vorliegen der Entscheidungsbefugnis über den Hund. Wer die Hundesteuer zahlt ist für die Frage wer Halter im Sinne des Sicherheitsrechts ist unbeachtlich. Im vorliegenden Fall sprach einiges dafür, dass die Ehefrau die Halterin des Rüden war, denn sie hatte die engere Beziehung zu ihm und führte ihn auch bei der Begleithundeprüfung, ging mit ihm spazieren usw.. Die Beklagte hätte zumindest begründen müssen, warum sie sich an den Ehemann als Adressaten des Bescheids wandte und nicht an die Ehefrau bzw. an beide.

Zuletzt verstieß auch die Zwangsgeldandrohung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 37 BayVwVfG, da die Zwangsgeldandrohung sich nicht jeweils auf eine einzelne Verpflichtung bezog, sondern nur auf die Anordnungen insgesamt.

Daher war der Bescheid insgesamt materiell rechtswidrig und daher aufzuheben.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Hundehaltung in der Mietwohnung

Hundehaltung in der Mietwohnung

Hundehaltung in der Mietwohnung.Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für den Mieter, wenn er einen Hund in der Mietwohnung halten will.

Hunde sind nach weit verbreiteter Auffassung die besten Freunde des Menschen. Hunde sind für die meisten von uns vollwertige Familienmitglieder ohne sie zu vermenschlichen, wir richten unsere Freizeit nach den Bedürfnissen unserer Hunde und erfreuen uns über die Nähe zu ihnen.

Der Hund gehört für uns Hundehalter in die Wohnung wie jedes andere Familienmitglied auch.

Dies sehen einige Vermieter allerdings anders. Ein Hund kann nicht nur erfreuen. Er löst Allergien aus, verschmutzt, bellt und manch einer verwechselt gerne den hölzernen Türrahmen des frisch sanierten Gründerzeit-Altbaus mit seinem eigens für ihn angeschafften Kauknochen. Der Hundefreund sieht es gelassen. Doch was tun, wenn der Vermieter den vierbeinigen Bewohner als lästige Plage abweist?

Brisant, extrem einzelfallabhängig, teils kontrovers wird diese Frage seit etlichen Jahren gerichtlich erörtert. Hierbei stehen sich vor allem zwei Interessen und Erwägungen kollidierend gegenüber: Das Interesse des Vermieters sein Eigentum vor übermäßiger tierbedingter Abnutzung zu bewahren, sowie seine übrigen nicht hundehaltenden Mieter vor etwaigen Belästigungen zu schützen, und das Interesse des Mieters, in seiner Wohnung, seinen Lebensmittelpunkt, sein Leben nach freier Fasson zu gestalten – nach Belieben auch in hundlicher Begleitung.

Diese Interessen müssen unter beidseitiger Abwägung in Einklang gebracht werden. Ein gemeinsamer Nenner findet sich nicht, wenn eine Partei gänzlich auf ihr Interesse verzichten muss.

So sah es auch der BGH (Bundesgerichtshof), als er am 20.03.2013 entschied, dass ein generelles mietvertragliches Verbot von Hundehaltung unzulässig sei (Urteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 168/12). Die Entscheidung erstreckt sich allerdings nur auf Hundehaltungsverbote, die der Vermieter dem Mieter als AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) bei Abschluss des Mietvertrages stellt. Also solche Vertragsbedingungen, die nicht individuell zwischen den Parteien ausgehandelt werden. Der BGH ist der Ansicht, dass eine AGB, die Tierhaltung generell verbietet gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.

Ein generelles Verbot berücksichtigt eben nie den Einzelfall und die besonderen Interessen des Mieters. Diese zu einseitige und kompromisslose Gewichtung der Belange einer Vertragspartei widersprechen dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme, dem alle Vertragstypen unterliegen. So auch der Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB.

Ob ein Hund in der Wohnung gehalten werden darf, entscheidet sich daher nach umfangreicher Berücksichtigung der Interessen des entsprechenden Mieters, seiner Mitmieter und des Eigentümers/Vermieters.

Ob auch ein generelles „individuellvertragliches“ Hundehaltungsverbot, also ein Verbot nicht im Wege der AGB, nach den gleichen Gründen unwirksam ist, wurde bislang nicht entschieden.

Dagegen spricht allerdings, dass der Mieter weniger schutzwürdig ist, wenn er eigens seine Mieterpflichten aushandelt und hierbei auf die Hundehaltung frei verzichtet. Verzichtet er bei Vertragsschluss ausdrücklich und nach freier Überzeugung auf die Haltung des Tieres, (in dem er der Mietvertrag trotz des vereinbarten Hundehaltungsverbot unterschreibt), fordert er diese aber zu einem späteren Zeitpunkt ein, so verhält sich der Mieter treuwidrig und muss sich an seine ursprüngliche Erklärung halten.

Ob sein Verzicht allerdings in jedem Fall immer nach freiem Willen erklärt wird, oder auch von Druck oder Angst gesteuert ist, auf dem teils hart umkämpften Wohnungsmarkt ansonsten chancenlos zu bleiben, wird wiederum Sache des Einzelfalls sein. Es sprechen einige Gründe dafür, unter entsprechenden Umständen auch für die zweite Alternative ein generelles Verbot als unzulässig zu werten.

Ist ein generelles vertragliches Verbot unwirksam, so heißt es allerdings noch lange nicht, dass der Mieter seine Wohnung automatisch zur Arche Noah verwandeln darf.

Aus vorgenannten Erwägungen muss auch der Mieter Rücksicht nehmen und die Interessen aller Beteiligten beachten. Dies erfordert, dass der Mieter vor der Anschaffung eines Hundes immer zuvor den Vermieter um Erlaubnis für eine Hundehaltung fragen muss. Dies gilt auch, wenn nur ein Hund genehmigt wurde und nun ein zweiter dazu kommen soll.

Erst wenn die Erlaubnis erteilt wird, darf der Familienzuwachs einziehen. Damit der Zustimmungsvorbehalt nicht auch faktisch zu einem generellen Hundehaltungsverbot führt, muss der Vermieter im Falle der Verweigerung unter Angabe seiner Erwägungen genau begründen, wieso er der Hundehaltung nicht zustimmt. Hierbei muss er Gründe anführen, die gewichtiger sind als das Interesse des Mieters an Haltung eines Hundes.

In Betracht käme eine Verweigerung wegen der besonderen Gefährlichkeit eines Tieres, starken Allergien anderer Mieter und bei ähnlichen gravierenden Konstellationen.

Die Verweigerung des Vermieters allein aus dem Grund, dass die vermieteten Räume durch die Tierhaltung stärkerer Abnutzung unterliegen genügt hingegen nicht. Der Mieter hat nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB das Recht des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache. Der vertragsgemäße Gebrauch eines gemieteten Wohnraums und die entsprechende vertragsgemäße wohnbedingte Abnutzung richten sich nach der gewöhnlich zu erwartenden Nutzung der Räumlichkeiten. Für gewöhnlich kann nicht erwartet werden, dass jeder Mieter mit Samtsolen über das Parkett schreitet und nach der Mietzeit alles wie neu übergibt.

Nur weil der Hund ein Lebewesen ist, welches von Natur aus die besondere Sorgfalt gegenüber fremden Eigentums nicht kennt, heißt dies noch nicht gleichsam, dass durch das Tier im Haus besondere Schäden zu erwarten sind.

Obgleich der Mieter natürlich in vollem Umfang gegenüber dem Vermieter für Schäden an der Wohnung haftet, die sein Hund verursacht hat, darf der Vermieter aus ungewisser Sorge um einen solchen Zustand die Hundehaltung nicht im Vorfeld verbieten. Er muss das Risiko zunächst in Kauf nehmen.

Wenn der Vermieter seine Erlaubnis zur Hundehaltung nicht erteilt, obwohl er nach dem oben Gesagten dazu verpflichtet wäre, bleibt dem Mieter nur der Weg zum Gericht, bei dem der Mieter die Erlaubnis zur Hundehaltung einklagen muss, andernfalls er das Risiko der mitvertraglichen Abmahnung zu tragen hat.

Fazit: Ein generelles mietvertragliches Hundehaltungsverbot ist nicht zulässig. Gleichwohl muss immer die Zustimmung des Vermieters eingeholt werden, bevor der Mieter einen Hund in die Wohnung aufnimmt. Der Vermieter darf die Zustimmung dann verweigern, wenn gewichtige und übergeordnete Gründe dafür vorliegen, die Hundehaltung in seinem und im Interesse der übrigen Mieter zu verbieten. Bei unberechtigter Verweigerung der Zustimmung bleibt dem Mieter nur der Klageweg.