Beißvorfall Schäferhund – Zum Haltungsverbot von großen Hunden

VG Düsseldorf, Urt. v. 27.06.2018 – 18 K 1929/16

Sachverhalt:

Im Frühjahr 2011 kam es mit dem Schäferhund des Klägers zu einem Vorfall, bei dem der Schäferhund einem Mädchen ins Bein gebissen und es dadurch verletzt hatte. Die beklagte Ordnungsbehörde begutachtete den Schäferhund daraufhin und stellte dessen Gefährlichkeit fest. Durch die begutachtende Amtstierärztin wurde mündlich ein sofortiger Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet. Der Kläger erklärte sich hiermit einverstanden und verzichtete ausdrücklich auf eine schriftliche Bestätigung.

Über ein Jahr später kam es erneut zu einem Vorfall, bei dem der Schäferhund einem Mann ins Bein gebissen haben soll. Der Schäferhund soll dabei weder angeleint gewesen sein, noch einen Maulkorb getragen haben. Ob der Schäferhund des Klägers den Mann überhaupt gebissen und verletzt hatte, war zwischen den Parteien jedoch umstritten und blieb ungeklärt.

Aufgrund dieses Vorfalls erließ die Beklagte einen Bescheid gegen den Hundehalter und ordnete ein Hundehaltungsverbot sowohl bezüglich des Schäferhundes, als auch bezüglich der generellen Haltung großer Hunde im Sinne des § 11 LHundG NRW an. Zudem sollte der Schäferhund bis zur Überprüfung der Gefährlichkeit in einem Tierheim untergebracht werden.

Gegen diesen Bescheid klagte der Hundehalter und stellte zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Der Antrag wurde abgelehnt, denn das Gericht sah die Unzuverlässigkeit des Hundehalters als erwiesen an. Der zweite Vorfall hätte vermieden werden können, hätte sich der Kläger an die Haltungsauflagen nach dem ersten Vorfall gehalten. Da er sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hatte, dass seiner Meinung nach die mündliche Anordnung keine Wirkung ihm gegenüber entfaltet hätte, war auch davon auszugehen, dass er sich weder an den Leinen- noch an den Maulkorbzwang gehalten hatte. Somit war von einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 LHundG NRW auszugehen. Er habe außerdem nach dem ersten Vorfall gewusst, dass sein Schäferhund aggressives Verhalten zweigen würde und hätte daher den Schäferhund erst recht sichern müssen.

Das Hauptsacheverfahren wurde eingestellt, da der Schäferhund zwischenzeitlich abgegeben worden war.

Weil der Geschädigte des zweiten Vorfalls seinerseits den Hundehalter verklagte, kam es zu einem weiteren Gerichtsverfahren, bei dem mehrere Zeugen zu dem Vorfall angehört wurden. Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage gegen den Hundehalter im Januar 2015 ab. Das Gericht hatte erhebliche Zweifel daran, dass der Schäferhund den Mann verletzt hatte, denn die Zeugenaussagen blieben unergiebig, der Kläger konnte somit keinen Biss beweisen. Es blieb offen, ob der Schäferhund seinerzeit angeleint gewesen war.

Im November 2015 stellte der Halter des Schäferhundes einen Antrag bei der Beklagten, das Verbot zur Haltung großer Hunde aufzuheben. Er begründete den Antrag damit, dass ein Biss bei dem Gerichtsverfahren nicht festgestellt werden konnte. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid ab. Für eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens gäbe es keine Gründe, es fehle an neuen Anhaltspunkten. Eine Rechtsmittelbelehrung fehlte in dem Bescheid.

Anfang 2017 erhob der Hundehalter Klage hiergegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Die Ablehnung der Aufhebung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, er hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Haltungsverbots für große Hunde.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 22 OBG NRW. Nach dieser Vorschrift kann die von einer Ordnungsverfügung mit fortdauernder Wirkung betroffene Person verlangen, dass die Verfügung aufgehoben wird, wenn die Voraussetzungen der Ordnungsverfügung fortfallen.

Die Voraussetzungen der ersten Ordnungsverfügung aus dem Jahr 2012 sind vorliegend jedoch nicht entfallen. Die Rechtsgrundlage für ein allgemeines Haltungsverbot von großen Hunden ist in § 12 Abs. 2 LHundG NRW geregelt. Danach kann das Halten eines großen Hundes im Sinne des § 11 Abs. 1 LHundG NRW untersagt werden, wenn ein schwerwiegender Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen Vorschriften des LHundG NRW oder auf Grund dieses Gesetzes getroffener Anordnungen vorliegen, die Haltungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 LHundG nicht erfüllt sind oder die Haltungsvoraussetzungen nicht innerhalb einer behördlich bestimmten Frist der zuständigen Behörde nachgewiesen wurden.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte in dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren bereits ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine solche Anordnung vorlagen, denn der Kläger hatte sich nach eigenen Angaben trotz ausdrücklicher Zustimmung und Verzichts auf eine schriftliche Ausführung nicht an die Haltungsanordnungen gebunden gefühlt und in der Folge hiergegen verstoßen. Diese Voraussetzungen sind auch nicht durch die Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf oder durch Zeitablauf entfallen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts enthält weder die Feststellung, dass es nicht zu einem Biss gekommen ist, noch, dass der Schäferhund des Klägers bei dem Vorfall angeleint gewesen ist oder einen Maulkorb trug. Es stellt lediglich fest, dass ein Biss durch die beigebrachten Beweismittel nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte. Zudem hatte das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss nicht auf den Umstand abgestellt, dass es bei dem zweiten Vorfall tatsächlich zu einem Biss gekommen ist. Ausschlaggebend für die Feststellung war, dass der Kläger schwerwiegend und wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW verstoßen hat und sich als unzuverlässig im Sinne des § 7 Abs. 2 LHundG NRW erwiesen hat und zwar hauptsächlich wegen des ersten Vorfalls bei dem der Schäferhund ein Kind gebissen hatte und weil der Kläger trotz Kenntnis der von seinem Schäferhund ausgehenden Gefahren die Anordnung der Amtsveterinärin zwar scheinbar akzeptierte, sie zugleich aber mit Verweis auf deren mögliche Nichtigkeit vorsätzlich missachtete.

Auch der Zeitablauf seit Erlass der Verfügung führt nicht zu einem Fortfall der ihr zugrundeliegenden Voraussetzungen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich ergäbe, dass der Kläger sein Fehlverhalten mittlerweile eingesehen hätte und zukünftig nicht mehr mit Verstößen gegen das LHundG NRW zu rechnen ist. Dabei ist zu beachten, dass der Kläger – selbst wenn es bei dem zweiten Vorfall nicht zu einem Biss durch seinen Schäferhund gekommen sein sollte – massiv und wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW verstoßen hat, so dass auch nach sechs Jahren noch von einer Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen werden kann.

Eine abweichende Betrachtung erlaubt auch § 7 Abs. 1 LHundG NRW nicht. Danach besitzen Personen die zur Haltung eines Hundes erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die wegen der dort genannten Straftaten rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Hieraus kann nicht abgeleitet werden, dass nach einem Ablauf von fünf Jahren auch sonstige Tatbestände, die zur Annahme der Unzuverlässigkeit des Hundehalters geführt haben, nicht mehr zu berücksichtigen wären. Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich hier aus § 7 Abs. 2 Nr. 2, der im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 Satz 1 LHundG gerade keine zeitliche Einschränkung vorsieht. Aber auch eine festgestellte Unzuverlässigkeit wegen der Begehung von Straftaten entfällt nicht automatisch nach Ablauf von fünf Jahren. Raum für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG besteht aber auch bereits mangels Regelungslücke und mangels vergleichbarer Interessenlage nicht.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Zur Feststellung der Gefährlichkeit bei Beteiligung mehrerer Hunde

OVG Magdeburg, Beschluss vom 03.07.2018 – 3 M 252/18,

vorgehend VG Halle, Beschluss vom 16.05.2018 – 1 B 79/18

 

Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin als zuständige Ordnungsbehörde erhielt durch eine Anzeige Kenntnis von einem Beißvorfall, bei dem die FoxterrierHündin der Anzeigeerstatter von den beiden Landseer-Hündinnen der Antragstellerin gebissen wurde. Der Terrier erlitt dabei mehrere Bisswunden, die medikamentös behandelt, aber nicht genäht werden mussten.

Der Hergang des Vorfalls ist dabei zwischen den Hundehaltern umstritten. Die Halter des Terriers hatten angegeben, dass die beiden Landseer unangeleint waren und ohne ersichtlichen Grund auf den Terrier zugestürmt seien und diesen vierzehnmal in die Flanken gebissen hätten, obwohl der Terrier sich ihnen unterworfen habe. Die Antragstellerin hat dagegen angegeben, dass der unangeleinte Terrier auf einmal, während sie ihre beiden Hunde angeleint ausführte, auf die Landseer zugerannt kam und die jüngere der beiden Hündinnen in die Lefze gebissen habe (wobei eine Verletzung nicht nachgewiesen wurde). Sie sei daraufhin gestürzt und die Hunde hätten sich losgerissen und seien dem Terrier gefolgt. Als dieser sich ihnen unterworfen habe, hätten die beiden Hündinnen von ihm abgelassen.

Die Antragsgegnerin hatte im Folgenden per Bescheid die Gefährlichkeit der beiden Landseer festgestellt und einen Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet und deren sofortige Vollziehung angeordnet. Die Antragstellerin hat hiergegen einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung beziehungsweise in Bezug auf die Anordnungen des Leinen- und Maulkorbzwangs die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

 

Entscheidung:

Der Antrag hatte Erfolg, sowohl vor dem Verwaltungsgericht, als auch auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin vor dem Oberverwaltungsgericht.

Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben, wenn an der Rechtmäßigkeit des Bescheids ernstliche Zweifel bestehen, also wenn aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Vorliegend begegnet die Feststellung der Gefährlichkeit der beiden Landseer ernstlichen Zweifeln.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes ist § 4 Abs. 4 Satz 1,2 HundeG LSA. Hiernach hat die Behörde Hinweise auf einen Hund, der eine gesteigerte Aggressivität oder Kampfbereitschaft aufweist oder Menschen oder andere Tiere gebissen hat, von Amts wegen zu überprüfen. Kommt die Behörde zu dem Schluss, dass von dem Hund tatsächlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt sie dessen Gefährlichkeit fest. Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 HundeG LSA sind im Einzelfall gefährliche Hunde solche, die sich als bissig erwiesen haben, ohne dabei selbst angegriffen worden zu sein. Seit der Neufassung des § 3 Abs. 3 HundeG LSA ist grundsätzlich jede durch den Biss verursachte körperliche Beeinträchtigung erheblich, es sei denn, sie ist nur ganz geringfügig.

Diese Voraussetzungen waren vorliegend zumindest nicht hinreichend aufgeklärt. Die Tatsache, dass der Foxterrier von den beiden Landseern gebissen wurde reicht zur Feststellung der Gefährlichkeit allein nicht aus, es muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die beiden Hündinnen nicht zuvor selbst angegriffen wurden. Durch die zusätzlich geschaffene Voraussetzung „ohne selbst angegriffen worden zu sein“, soll den Behörden einen Ermessensspielraum bei der Beurteilung von konkreten Vorfällen eröffnet werden um zu ermöglichen, dass solche Fälle ausgenommen werden können, in denen ein Hund eindeutig aus artgerechtem Abwehr- und Verteidigungsverhalten reagiert hat. Zwar ist die Hinzuziehung von Sachverständigen zur Aufklärung von Beißvorfällen nicht zwingend notwendig, jedoch soll in Zweifelsfällen wie diesem ein Tierarzt mit ethologischen bzw. kynologischen Kenntnissen hinzugezogen werden. Die Antragstellerin hatte zur Untermauerung ihrer Sachverhaltsschilderung zwei Zeugen benannt, die später sogar eidesstattliche Versicherungen abgegeben hatten. Die Antragsgegnerin hat diese Zeugen jedoch gar nicht erst angehört, sondern den Sachverhalt, so wie ihn die Halter des Terriers in ihrer Anzeige dargestellt hatten, als tatsächlich unterstellt und keinerlei weitere Aufklärung betrieben. Obwohl die Antragstellerin ihrerseits Anzeige gegen die Halter des Terriers erstattet hatte, wurden keinerlei Untersuchungen hinsichtlich der Feststellung der Gefährlichkeit des Terriers unternommen. Obwohl greifbare Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die beiden Landseer sich lediglich verteidigt hatten, hat die Antragsgegnerin dies nicht weiter aufgeklärt und ist daher ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Die Antragsgegnerin hat es von vornherein gänzlich unterlassen einer sich hier aufdrängenden Entlastungsmöglichkeit für die als gefährlich festzustellenden Hunde nachzugehen. Ob die Landseer-Hündin bei dem Angriff des Terriers tatsächlich verletzt wurde ist dabei unerheblich, denn ein Angriff nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA setzt nicht zwingend die Verletzung des angegriffenen Hundes voraus.

Auch das Argument der Antragsgegnerin, dass jedenfalls die ältere Hündin, die den Foxterrier  ebenfalls gebissen haben soll, selbst nicht angegriffen worden sei und sich die Antragstellerin deshalb auch nicht auf den Rechtfertigungstatbestand berufen könne, vermag nicht zu überzeugen, denn unter einem Angriff im Sinne der vorgenannten Bestimmung ist jede Bedrohung schützenswerter Interessen des Hundes durch Menschen oder Tiere zu verstehen. Sollte es deshalb zutreffen, dass der Foxterrier die jüngere Hündin gebissen oder attackiert hat, ist davon auszugehen, dass die ältere Hündin lediglich den „Familienverband“ bzw. das „Rudel“ gegen Angriffe verteidigen und die jüngere Hündin beschützen wollte. In diesem Fall wäre das Angriffsverhalten der älteren Hündin zugleich als artgerechtes Verteidigungs- oder Abwehrverhalten anzusehen.

 

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Zur Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs

VG Würzburg, Urteil vom 27.07.2018, AZ.: W 9 K 17.332

Sachverhalt:

Der Kläger ist Halter eines Leonberger Hundes, den er auf seinem Wohngrundstück mit angrenzendem Garten- und Baugrundstück hält. Es handelt sich hierbei um einen großen Hund mit mindestens 50 cm Schulterhöhe. Nachdem die Beklagte als zuständige Ordnungsbehörde Kenntnis von einem Beißvorfall erlangte, wonach der Leonberger unangeleint von dem nicht ausbruchsicheren Grundstück entkommen war und eine Labrador-Hündin ohne ersichtlichen Grund gebissen hatte, ordnete sie einen Leinen- und Maulkorbzwang für den Leonberger an. Durch den Bescheid wurde der Kläger dazu verpflichtet,

  1. den Hund außerhalb seines Grundstücks innerhalb zusammenhängend bebauter Ortsteile an einer höchstens 3 Meter langen Leine mit schlupfsicherem Halsband oder ähnlich zuverlässiger Körperbefestigung zu führen, insoweit werde Leinenzwang angeordnet. Komme es außerhalb dieser Bereiche zu Begegnungen mit Menschen oder Tieren, sei der Hund so rechtzeitig anzuleinen und dürfe erst dann wieder von der Leine gelassen werden, wenn ein ungewollter Kontakt mit Menschen oder Tieren mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne.
  2. Beim Ausführen des Hundes außerhalb des Grundstücks des Klägers sei diesem ein Maulkorb anzulegen, insoweit werde Maulkorbzwang angeordnet.
  3. Der Aufenthaltsbereich des Hundes auf dem Grundstück des Klägers sei so abzusichern, dass der Hund die Grundstücke nicht unbeaufsichtigt verlassen könne.

Zudem wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 angeordnet. Für den Fall, dass der Kläger die in den Ziffern 1 bis 3 genannten Pflichten nicht ab sofort erfülle, wurden Zwangsgelder festgesetzt.

Durch Änderungsbescheid wurden die Anordnungen dahingehend abgeändert, dass die örtliche Begrenzung auf zusammenhängend bebaute Ortsteile aufgehoben wurde und nun verfügt wurde, dass der Hund in einem beiliegenden Lageplan blau markierten Bereich freier Auslauf ohne Maulkorb gewährt werden dürfe, wenn er sich unter Aufsicht des Hundehalters befinde und gewährleistet sei, dass er den Anordnungen des Hundehalters Folge leiste.

Zur Begründung gab die Beklagte an, dass nach den gegebenen Tatsachen zu befürchten sei, dass der Hund Menschen oder erneut andere Tiere “angreife”, so dass von ihm eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. In der nachfolgenden Zeit ereigneten sich weitere Vorfälle mit dem Hund, wobei er sich in einem Fall aus dem Halsband und damit auch von der Leine befreite.

Gegen diesen Bescheid erhob der Hundehalter Klage vor dem Verwaltungsgericht, jedoch ausdrücklich nur gegen den angeordneten Maulkorbzwang. Der Kläger war der Ansicht, dass es des Maulkorbes nicht bedürfe, wenn er sich an den Leinenzwang halte, ein schlupfsicheres Halsband verwende und das Grundstück gegen Ausbrüche sichere, da unter diesen Bedingungen keine Gefahr von dem Hund ausgehe.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde von dem Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für die angegriffene Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Nach dieser Vorschrift können die Gemeinden zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Letzteres ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter kommt. Da es vorliegend bereits zu einem Beißvorfall gekommen war, hatte sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert, so dass eine konkrete Gefahr weiterer Vorfälle bestand. Weiterer Voraussetzungen für die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes bedurfte es daher nicht. Insbesondere kommt es vorliegend nicht darauf an, ob von dem Hund eine gesteigerte Aggressivität gegen Menschen oder andere Hunde ausgeht oder ob es sich um ein hundetypisches Verhalten handelte.

Die Anordnung erfolgte auch ermessensfehlerfrei. Liegt eine konkrete Gefahr vor, sind an die Begründung des Entschließungsermessens regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen. Bei ihrer Auswahlentscheidung hat die Beklagte die entscheidungsrelevanten Belange abzuwägen, die von Art. 18 LStVG geschützten Rechtsgüter zu beachten und die Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für die Bejahung der konkreten Gefahr maßgeblich sind. Zudem muss die Maßnahme verhältnismäßig sein. Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang ist möglich, wenn im Einzelfall eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Hund auch angeleint beißen würde oder sich von der Leine losreißen würde. Vorliegend hatte der Leonberger sich bereits zuvor aus dem Halsband befreit, so dass eine konkrete Wahrscheinlichkeit hierfür bestand.

Durch die neue Regelung, dass der Hund in festgelegten Bereichen auch ohne Leine und Maulkorb ausgeführt werden darf, wurde auch dem natürlichen Bewegungsbedürfnis des Hundes entsprochen, weswegen die Anordnungen insgesamt als verhältnismäßig anzusehen waren.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Hundehalterhaftung – „Der will nur spielen“

OLG Koblenz, Beschluss vom 18.10.2018 – 1 U 599/18

Sachverhalt:

Der Beklagte und seine Ehefrau gingen mit ihrem Gordon Setter im Wald spazieren, wobei der Hund nicht angeleint war. Der Hund verschwand aus der Sichtweite des Beklagten und rannte auf den Kläger zu, der gerade joggte, wobei er eine Hündin angeleint mit sich führte. Die Hündin führte der Kläger regelmäßig für einen Bekannten aus. Der Kläger konnte den Beklagten nicht sehen, rief aber laut, dass die Hundehalter ihren Hund zurückrufen und anleinen sollten. Auf die Rufe des Beklagten reagierte der Gordon Setter jedoch nicht. Der Kläger versuchte den Hund mit einem Ast auf Abstand zu halten, wobei er ausrutschte und sich eine Verletzung zuzog, die im Krankenhaus zweimal operiert werden musste.

Der Kläger trug vor, dass der Hund des Beklagten in aggressiver Weise auf ihn und die Hündin zugerannt sei und sie dann umkreiste. Er forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld für die erlittene Verletzung. Der Beklagte behauptete hingegen, der Gordon Setter habe die Hündin lediglich spielerisch umtänzelt, sein Verhalten sei keineswegs aggressiv gewesen. Außerdem habe der Kläger den Hund mit dem Stock geschlagen, obwohl dies nicht notwendig gewesen sei.

 

Entscheidung:

Das Landgericht Mainz (Urteil vom 02.05.2018 – AZ.: 9 O 1651/17) hatte erstinstanzlich dem Kläger Recht gegeben und den Beklagten entsprechend verurteilt.

Das Gericht hatte im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der geltenden kommunalen Gefahrenabwehrverordnung Hundehalter ihre Hunde außerhalb bebauter Ortslagen umgehend und unaufgefordert anzuleinen haben, wenn sich andere Personen nähern oder sichtbar werden. Aus dieser Pflicht folge auch, dass der Hundehalter jederzeit die Möglichkeit haben muss, den Hund anleinen zu können. Diese Gefahrenabwehrverordnung stellt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB dar. Hiergegen hat der Beklagte verstoßen, da er den Hund im Wald frei und außerhalb der Sichtweite laufen ließ, so dass er keine Möglichkeit hatte, ihn jederzeit anzuleinen. Der Verstoß ist auch kausal zu dem Schaden gewesen, denn wäre der Hund angeleint gewesen, so wäre er nicht auf den Kläger zugerannt und er hätte ihn nicht abwehren müssen. Dass jemand bei einem solchen Abwehrverhalten ausrutscht und sich verletzt liege auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass es für den Kläger erkennbar war, dass der fremde Hund nur mit der Hündin spielen wollte. Der Kläger durfte sich daher zur Verteidigung herausgefordert sehen. Ein eigenes Verschulden treffe ihn daher nicht.

Die hiergegen von dem Beklagten erhobene Berufung wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts zurückgewiesen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Das Berufungsgericht ist den Ausführungen des Landgerichts gefolgt und hat darüber hinaus festgestellt, dass den Kläger auch kein Mitverschulden treffe. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe sich der Kläger gegen den herannahenden Hund zur Wehr setzen dürfen, wobei es unerheblich sei, ob der Hund sich freundlich und schwanzwedelnd in spielerischer Absicht näherte oder nicht. Es ist einem Spaziergänger nicht zumutbar, unklares tierisches Verhalten eines sich nähernden Hundes zu analysieren und zu bewerten und damit auch Gefahr zu laufen, dieses eventuell falsch zu interpretieren. Gelangt ein fremder Hund nicht angeleint und ohne Kontrolle durch den Hundehalter in die Nähe eines Spaziergängers, so kann dieser effektive Abwehrmaßnahmen vornehmen. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte selbst vorgetragen hat, dass er seinen Hund nicht mehr zurückrufen konnte.

 

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Ableinen des Hundes

Durch Zustimmung zum Ableinen des Hundes kein Mitverschuldensanteil nach § 254 BGB

AG Bergheim, Urteil vom 19.03.2015, 26 C 368/14

Berufung: LG Köln, Urteil vom 21.10.2015, 13 S 79/15

Problematisch ist, ob in der Zustimmung zum Ableinen der Hunde eine Sorgfaltspflichtverletzung und damit ein Mitverschulden eines Geschädigten (Hundehalter) gesehen werden kann. Dies ist am nachfolgenden Fall näher geschildert.

Der Sachverhalt:

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit klagt der Arbeitgeber eines wegen einer Verletzung arbeitsunfähigen Arbeitnehmers gegen den Beklagten. Der Beklagte ist Halter eines Labradors, welcher bei einem Spaziergang den Schaden des Arbeitnehmers herbeiführte.

Die Verletzung entstand bei einem Spaziergang des Arbeitnehmers mit seinem Jack-Russell-Terrier. Er traf auf den Beklagten, der seinen Labrador bei sich führte.

Nach einer kurzen Absprache waren die beiden Halter in Begriff ihre Hunde abzuleinen, damit diese miteinander spielen könnten.

Allerdings dauerte das Ableinen des Jack-Russell-Terriers länger, sodass der Labrador zuerst abgeleint war. Der Labrador rannte auf den Jack-Russell-Terrier zu und verfing sich in dessen Leine. Aufgrund der plötzlich angespannten Leine verletzte sich der Halter des Jack-Russell-Terriers an seiner Hand.

Infolge dieser Verletzung war er zunächst arbeitsunfähig. Seinem Arbeitgeber – hier der Kläger – entstand dadurch ein Schaden.

Diesen Schaden möchte er nun vom Halter des Labradors ersetzt haben.

Die Entscheidung der Gerichte:

Zunächst beschäftigte sich das Amtsgericht Bergheim mit dem Fall und bejahte einen Anspruch des Klägers. Der Arbeitgeber sei infolge der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters geschädigt. Diese Arbeitsunfähigkeit könne auch dem Beklagten zugerechnet werden, der für die Tiergefahr seines Labradors hafte.

Daraufhin legte der Beklagte Berufung vor dem Landgericht Köln ein. Seiner Ansicht nach müsse dem Jack-Russell-Halter in der Zustimmung zum Ableinen ein Anteil von Mitverschulden zugerechnet werden.

Grundsätzlich folgt die Haftung des Beklagten aus § 833 BGB. Der Tierhalter ist demnach verpflichtet, dem Verletzten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Schaden wurde durch das Tier verursacht, wenn sich die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum verwirklicht hat.

Gemäß § 254 BGB muss der Geschädigte sich einen Mitverursachungsbeitrag anrechnen lassen, wenn von seinem eigenen Tier ebenfalls eine Tiergefahr ausging.

Bei zwei beteiligten Tieren bestimmt sich die Quote des Mitverschuldensanteils danach, in welchem Maße das in den Tieren verankerte Gefahrenpotential konkret an der Schädigung mitgewirkt hat.

Vorliegend wurde durch den Labrador des Beklagten unzweifelhaft die spezifische Tiergefahr verwirklicht. Aber der Jack-Russell-Terrier hat keinerlei Aktionen gezeigt. Er war noch angeleint, hat keinen Beitrag zu dem Geschehen geleistet.

Streitig war hier die Frage, ob in der vorherigen Zustimmung zum Ableinen des Jack-Russell-Halters ein Mitverschulden hergeleitet werden könne, indem er seine Sorgfaltspflichten verletzte.

Nach Ansicht der Richter liegt es alleine im Verantwortungsbereich der jeweiligen Tierhalter, wie der eigene Hund ohne Leine reagiere. Eine Haftung tritt auch dann ein, wenn – wie im zugrunde liegenden Rechtsstreit – der andere Hund nur spielen will. Sind die Hunde abgeleint und verursachen einen Schaden, wird das dem Halter zugerechnet.

Wenn beide Hunde aufeinander losgehen, wird eine Hälftelung der Quote sinnvoll.

Allerdings wurde im zugrunde liegenden Fall der  Schaden allein durch den Labrador verursacht, während der Jack-Russell-Terrier keinerlei Beitrag hierzu leistete. Dahingehend wäre es nicht gerechtfertigt, über das Mitverschulden des Halters des Jack-Russel-Terriers die Haftung zu minimieren.

Somit haftet der Halter des Labradors, der Beklagte, vollumfänglich für den Schaden.

Der Kläger kann Erstattung des gesamten Schadens vom Beklagten verlangen.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Ausführen eines „Hunderudels“

Erhöhte Sorgfaltsanforderungen beim Ausführen eines „Hunderudels“

LG Dortmund, Urteil vom 15.05.2014, 5 O 257/13

OLG Hamm, Urteil vom 03.02.2015, 9 U 91/14

Bei einer „Rudelführung“ von Hunden, das heißt das Ausführen von mehreren Hunden im gleichen Zeitpunkt, sei das Gefährdungspotential für Dritte gesteigert. Daher sind an den Hundeführer erhöhte Sorgfaltsanforderungen zu stellen.

Der Sachverhalt:

In dem entschiedenen Fall begegneten sich die Klägerin und die Beklagte bei einem Spaziergang im April 2013. Von der Beklagten wurden gleichzeitig drei Hunde an der Leine ausgeführt.

Dabei handelte es sich um ihren eigenen Schäferhund und aus Gefälligkeit einen Boxermischling und einen Cane Corso eines Bekannten. 

Bei dem Zusammentreffen der Klägerin und der Beklagten sprang der Cane Corso die Klägerin, eine 22 jährige Frau, überraschend an, als die Beklagte und ihre drei Hunde an ihr vorbei laufen wollten.

Die Klägerin erlitt bei jenem Aufeinandertreffen Schürfwunden unter ihrem Auge und eine kleinere blutende Gesichtsverletzung, welche anschließend auch eine Narbe hinterließ.

Aufgrund dieser Verletzungen verlangte die Klägerin von der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 €.

Die Entscheidung der Gerichte:

Das Landgericht Dortmund wies die Klage zurück, der Klägerin stehe kein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte zu.

Anders jedoch urteilte das Oberlandesgericht Hamm. Der Klägerin sei ein Anspruch in Höhe von 3.000 € entstanden. Anspruchsgrundlage ist jedoch nicht § 833 (Tierhalterhaftung) oder § 834 (Tierhüterhaftung) sondern § 823 BGB.

Nach Ansicht des OLG habe die Beklagte während ihres Spaziergangs mit den drei Hunden Verkehrssicherungspflichten verletzt.

Beim Ausführen von Hunden müssten die Tiere derart gehalten werden, dass von den Hunden keine Gefahr für Leben und / oder Gesundheit anderer Passanten entstünden, denen sie beim Ausgang begegnen.

Der große Hund Cane Corso sei zwar, wie es auch das Landeshundegesetz in Nordrhein-Westfalen verlange, an der Leine geführt worden, aber sie habe den Hund nicht so ausgeführt, dass er andere Menschen nicht anspringen und verletzen könne, wie der vorliegende Fall zeige.

Es sei nicht ausreichend gewesen, dass die Beklagte den Hund nah bei sich gehalten habe. Sie hätte jedoch von vornherein ein Hochspringen des Hundes durch einen sicheren Griff vermeiden müssen. Überdies sei es der Beklagten nach ihrer Aussage bekannt gewesen, dass der Hund schon mal an Personen zum Schmusen hochspringe.

Zudem sei es auch keine Entlastung, dass sie noch zwei weitere Hunde an der Leine gehabt habe.

Eine „Rudelführung“ von Hunden wie vorliegend sei zwar nicht verboten, allerdings sei dadurch das Gefährungspotential für Dritte erhöht und dementsprechend erhöhen sich die an den Hundeführer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen.

Mithin erhält die Klägerin Schadensersatz von der Beklagten, auch wenn diese nicht die eigentliche Halterin des Hundes war – denn während ihres Spaziergangs wurden die ihr entstandenen Verkehrssicherungspflichten nicht erfüllt. Diejenigen, die für andere aus reiner Gefälligkeit Hunde ausführen, d.h. ihnen nicht gehörende Hunde mit ihren eigenen z.B .zum Spaziergang mitnehmen, haften unter Umständen auch, wenn es zu einer Verletzung eines Menschen oder eines anderen Hundes durch diesen Hund kommt.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)