Anspringen kann zur Begründung der Gefährlichkeit eines Hundes ausreichen 

OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Halterin eines Shar Pei. Dieser sprang bei einem Spaziergang, bei dem er angeleint war, ein sechsjähriges Mädchen an, wobei dieses hinfiel und sich zwei etwa 5cm lange Quetschungen am Bein zuzog. Ob diese Verletzungen durch den Sturz an sich oder einen Biss des Hundes entstanden sind, ist nicht aufklärbar. Jedenfalls hatte der Hund aber nach dem Kind geschnappt als er es ansprang.

Die Behörde erließ daraufhin eine Ordnungsverfügung gegen die Hundehalterin, in der sie verschiedene Auflagen anordnete, unter anderem wurde die Gefährlichkeit des Hundes festgestellt, ein Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet und angeordnet einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für den Hund innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen.

Hiergegen wehrte sich die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Entscheidung:

Dem Antrag wurde teilweise stattgegeben.

Die Einstufung des Hundes als gefährlich erfolgte rechtmäßig. Zwar sei das Beißen eines Menschen nicht sicher belegt im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW, es liegen aber zumindest die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 vor. Danach ist ein Hund bereits dann im Einzelfall gefährlich, wenn er einen Menschen in Gefahr drohender Weise angesprungen hat. Dies liegt dann vor, wenn durch das Anspringen, bei verständiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, die Gefährdung eines Menschen zu befürchten war. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn Kinder oder Senioren unkontrolliert so angesprungen werden, dass diese umfallen oder umzufallen drohen.

Der Einwand der Antragstellerin, es sei keine amtstierärztliche Begutachtung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW durchgeführt worden, blieb ohne Erfolg. Der Begutachtung und Beurteilung durch den Amtstierarzt kommt nach ständiger Rechtsprechung keine konstitutive Bedeutung zu. Sie dient im Zusammenhang mit der Prüfung der Tatbestandsmerkmale nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG lediglich der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und soll sicherstellen, dass die Ordnungsbehörde dabei eine sachverständige Unterstützung erfährt. Da der Begutachtung eine reine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt, ist es nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, wenn sie nicht hinreichend durchgeführt wird und offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Für im Einzelfall gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG ist keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Hund ausgeht, vorgesehen, da diese ihre Gefährlichkeit bereits durch tatsächliches Fehlverhalten bewiesen haben.

Erfolgreich war hingegen der Antrag gegen die Anordnung, einen Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen. Für eine solche Anordnung fehlt der Behörde die Rechtsgrundlage. Eine Verpflichtung zur Antragstellung kann weder auf § 12 Abs. 1 noch auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG gestützt werden, da ein gesetzlicher Zwang zur Antragstellung nicht besteht. Die Antragstellung liegt allein im Interesse des Hundehalters eines gefährlichen Hundes, um der sonst drohenden Haltungsuntersagung zu entgegnen, sie kann daher nicht selbständig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp