Behandlungsfehler von Tierärzten

Erstmalig – Beweislastumkehr auch bei groben Behandlungsfehlern von Tierärzten möglich

LG Osnabrück, Urteil vom 12.09.2014, 3 O 1494/11

OLG Oldenburg, Urteil vom 26.03.2015, 14 U 100/14

BGH, Urteil vom 10.05.2016, VI ZR 247/15

Der Sachverhalt:

Der elfjährigen Hengst der Klägerin erlitt im Juli 2010 eine Verletzung am rechten Hinterbein. Der konsultierte Tierarzt aus Niedersachsen verschloss die Wunde, nahm jedoch keine weiteren Untersuchungen vor. Weiterhin bekam die Klägerins die Anweisung, das Pferd zwei Tage zu schonen, wenn das Bein in dieser Zeit nicht anschwelle, so dürfe es wieder geritten werden.

Nach zwei Tagen versuchte die Klägerin Leiknir wieder zu reiten und stellte eine leichte Unsicherheit des Tieres fest. Daraufhin beschloss sie den Hengst weiter zu schonen. Allerdings erlitt dieser beim Aufstehen drei Tage später eine Fraktur des rechten Hinterbeines und musste operiert werden.

Die durchgeführte Operation misslang , Leiknir musste noch am selben Tag eingeschläfert werden.

Die Halterin des Islandhengstes (Klägerin) verklagte daraufhin den behandelnden Tierarzt auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 100.000 €.

Die Entscheidung der Gerichte:

Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte den Tierarzt zur Zahlung von Schadensersatz aufgrund der fehlerhaften Behandlung des Pferdes.

Dies wurde damit begründet, dass der Tierarzt einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen habe.  So hätte er erkennen müssen, dass Leiknir beim erstmaligen Besuch eine Fissur erlitten habe. Er hätte, statt die Wunde nur zu verschließen, weitere Untersuchungen vornehmen müssen.

Vorliegend gestaltete sich die Beweiserhebung allerdings problematisch, da der hinzugezogene Sachverständige nicht abschließend klären konnte, ob der unterlaufene Behandlungsfehler auch ursächlich (kausal) für den später erlittenen Beinbruch von Leiknir war. Jedoch sei gerade diese Frage der Ursächlichkeit streitentscheidend. 

Bei Anwendung der üblichen Beweisregeln hätte von der Klägerin die Ursächlichkeit bewiesen werden müssen, da grundsätzlich den Kläger die volle Beweislast trifft. In der Humanmedizin tritt allerdings in den Fällen des groben Behandlungsfehlers, eine sog. Beweislastumkehr ein.

Grob sind solche Behandlungsfehler, die sich als Verstoß gegen elementare Behandlungsregeln, also gegen elementare Erkenntnisse der Medizin darstellen. Solche seien aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich, weil sie einem Arzt nicht unterlaufen dürften. Wann ein Fehler als grob einzuordnen ist, wird vom Gericht anhand einer juristischen Wertung beurteilt, welche sich auf tatsächliche Anhaltspunkte beziehen muss, in der Regel auf ein Sachverständigengutachten.

Tritt die Beweislastumkehr letztendlich ein, so muss jetzt der Tierarzt beweisen, dass sein Fehler nicht ursächlich für die nachziehenden Gesundheitsschäden war.

Sowohl das Landgericht Osnabrück, sowie auch das Oberlandesgericht Oldenburg zogen, in der Rechtssprechung vermutlich das erste Mal, eine Parallele zur ärztlichen Behandlung von Menschen. In der Veterinärmedizin wurde eine solche Beweislastumkehr bisher nicht angewandt. Der BGH bestätigte nun eindeutig und unmißverständlich das Urteil des Oberlandesgerichtes und begründeten ihre Entscheidung damit, dass sich beide Tätigkeite auf einen lebenden Organismus bezögen, daher seien die Auswirkungen von Behandlungsfehlern ähnlich.

Der vorliegend grob fehlerhaft handelnde Tierarzt habe einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Regeln der tierärztlichen Kunst begangen und Aufklärungserschwernisse verursacht, die die Beweisnot der Pferdehalterin vertieft hätte, so der BGH weiterhin.

Die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes müsse nun vom Oberlandesgericht entschieden werden.

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