Einstufung als „gefährlicher“ Hund wegen Schädigung eines anderen Hundes

Einstufung als gefährlicher Hund; Schädigung eines „anderen Tieres“

Ein „anderes Tier“ im Sinne von § 2 Abs 2 Nr 2, 1. Alt. Hess HundeVO (HuV HE) kann auch ein (anderer) Hund sein.“

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10. Mai 2005, Az. 11 UE 3488/04

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 16. Juli 2004, Az. 10 E 5578/03

Der Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Beklagten (Ordnungsamt) vom 28. Juli 2003, mit der der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der HundeVO eingestuft wurde.

Der Rottweilerrüde der Klägerin biss den Border Collie des Zeugen „S“, wodurch dieser leichte Blessuren erlitt.

Der Hund der Klägerin wurde daraufhin von der beklagten Behörde als gefährlich gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO eingestuft.

Hiergegen wehrt sich die Kägerin.

Das VG Gießen gab der Klage zunächst mit folgender Begründung statt:

Der von der Behörde hinsichtlich der Feststellung des Rottweilerrüden der Klägerin herangezogene Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO sei nicht erfüllt. Der Border-Collie des Zeugen „S“ habe nur oberflächliche Wunden in Form zweier kleiner Löcher an der linken Halsseite davongetragen. Es stehe danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Hund des Zeugen „S“ als Folge einer artgerechten Auseinandersetzung zwischen den Hunden nur leichte Blessuren erlitten habe. Nach den Einlassungen des Zeugen Dr. R. könne nicht auf ein inadäquates Aggressionsverhalten des Rottweilers geschlossen werden. Hätte ein solches vorgelegen, wären – so das Verwaltungsgericht – entsprechend stärkere Hautperforationen entstanden. Auch wenn der eigentliche Verlauf der Auseinandersetzung nicht habe aufgeklärt werden können, müsse aufgrund des vorliegenden Schadensbildes von einer Auseinandersetzung im üblichen Ritualbereich ausgegangen werden. Etwas anderes folge auch nicht aus den von der Beklagten zur Begründung ihrer Verfügung angeführten weiteren Vorfällen. Soweit hier ursprünglich von Bissverletzungen die Rede gewesen sei, habe sich auch hier herausgestellt, dass es sich lediglich um Kratzer gehandelt habe. Eine Grundaggressivität könne auch nicht aus dem mit ihm durchführten Wesenstest abgeleitet werden. Die Aussage des Gutachters zu einem von ihm beobachteten aggressiven Verhalten des Hundes ließen nicht zureichend erkennen, ob sich diese Aggression im Bereich des artgerechten Verhalten bewege oder Ausdruck eines inadäquaten Aggressionsverhaltens sei. Die Feststellung des Gutachters, der Hund berge bei Belastungen in Verbindung mit mangelnder Sicherheit eine gesteigerte Gefährlichkeit, sei mit anderen Erkenntnissen des Gutachters unvereinbar. Wegen dieser Widersprüche sei das Gutachten letztlich nicht verwertbar.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Behörde Berufung ein.

Das Urteil

Die Berufung der Beklagten (Behörde) hatte Erfolg.

Zu Recht sei in dem angefochtenen Bescheid der Hund der Klägerin als gefährlicher Hund im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) eingestuft worden. Gefährlich sei ein Hund, bei dem die Gefährlichkeit – wie bei dem Rottweiler der Klägerin – nicht bereits auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO aufgeführten Hunderassen oder -gruppen oder wegen ihrer Abstammung von einem Hund einer solchen Rasse oder Gruppe vermutet wird, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO dann, wenn er ein anderes Tier durch Biss geschädigt habe, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Die Voraussetzungen dieser Regelung lägen bezüglich des Hundes der Klägerin vor.

Die Bedenken der Klägerin an der Anwendbarkeit der vorgenannten Bestimmung auf Fälle der vorliegenden Art, in denen es Schädigungen geht, die einem Hund durch den Biss eines anderen Hundes zugefügt wurden, teile das Gericht nicht.

Der Begriff „anderes Tier“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO meine auch (andere) Hunde. Aus der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO folge entgegen der Ansicht der Klägerin nichts Gegenteiliges.

§ 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO kennzeichne eine spezifische Art der Gefährlichkeit von Hunden durch nicht beherrschbaren Ausbruch ihres Jagdtriebes, der in der Regel nicht auf andere Hunde, sondern auf Tiere gerichtet sei, die der Hund als Beute betrachte. Diese besondere Zielrichtung der Bestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundeVO sei auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. HundeVO nicht übertragbar. Durch diese Regelung solle der durch von bissigen Hunden ausgehenden allgemeinen Gefährlichkeit für andere Tiere begegnet werden. Da sich Beißattacken von Hunden letztlich gegen Tiere aller Spezies in gleicher oder ähnlicher Weise richten könnten, sei kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, Hunde als Opfer von Bissen anderer Hunde aus dem Regelungsbereich der ersten Alternative von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO auszunehmen.

Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach dem Inhalt der Behördenakten und nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme darstelle, lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO in Bezug auf den Hund der Klägerin vor.

Fest stehe danach zunächst, dass der Rüde den Border-Collie des Zeugen S. gebissen habe.

Durch den Biss sei der Hund des Zeugen S. im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. HundeVO geschädigt worden. Durch den Biss habe „B.“ eine Verletzung an der linken Halsseite in Form zweier kleiner Wunden davongetragen. Bereits hierdurch sei eine Schädigung im Sinne der oben genannten Bestimmung eingetreten.

Mit dem Begriff der Schädigung greife der Verordnungsgeber auf den polizeirechtlichen Schadensbegriff zurück. Ein Schaden im ordnungsrechtlichen Sinne läge bei jeglicher Verletzung geschützter Rechtsgüter vor. Bei der Schädigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO sei ein Schaden in der besonderen Form der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Tieres gemeint. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Tieres sei dann anzunehmen, wenn bei ihm ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen oder gesteigert werde.

Ein von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand sei schon durch die dem Hund des Zeugen S bei der Beißattacke des Rottweilers der Klägerin unmittelbar beigebrachte Verletzung eingetreten.

Selbst wenn man der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen und der Auffassung sein sollte, dass die unmittelbare Bissverletzung des Border-Collies und der durch den Vorfall bedingte Schockzustand des Hundes als geringfügig und deshalb nicht als Schädigung zu betrachten seien, verbiete sich diese Betrachtungsweise jedenfalls im Hinblick auf die bei dem Hund später eingetretene, erheblich schwerer wiegende Gesundheitsbeeinträchtigung (Hämatom).

Auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO, dass der das andere Tier schädigende Biss erfolgt ist, ohne dass der Hund selbst angegriffen wurde, sei erfüllt.

Nach den – auch insoweit übereinstimmenden – Aussagen der Zeugen sei der Border-Collie von dem Hund der Klägerin ohne vorangehende Begegnung der beiden Hunde unvermittelt angegriffen worden. Ein von dem Border-Collie ausgehender Angriff auf den Hund der Klägerin oder auch nur ein von ihm möglicherweise als Aggression zu erkennendes Verhalten des Border-Collie sei nach dem sich aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahmen ergebenden Sachverhalt auszuschließen.

Da somit sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative HundeVO erfüllt seien, bedürfe es für die Feststellung der Gefährlichkeit nicht etwa noch der weiteren Prüfung, ob das von dem Hund gezeigte Verhalten eine übersteigerte Aggressionsbereitschaft erkennen lasse. Die Forderung nach einer zusätzlichen Überprüfung, ob das Beißverhalten eines Hundes Ausdruck einer übersteigerten Aggressionsbereitschaft sei, sei mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 HundeVO nicht vereinbar.

Soweit sich das Verwaltungsgericht nachfolgend mit der Frage auseinandersetze, ob der Hund des Zeugen S. bei dem Angriff eine artübliche Unterwerfungsgestik gegenüber dem Hund der Klägerin gezeigt habe, beziehe sich diese Ausführungen auf die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO. Diese Bestimmung sei indessen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Bestimmung erfasse ein im Verlauf von Rangstreitigkeiten oder sonstigen Auseinandersetzungen zwischen Hunden aufgetretenes übersteigertes Aggressionsverhalten eines Hundes, das sich in einem Zubeißen trotz erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik des anderen Hundes geäußert habe. Eine solche Rangelei zwischen dem Hund der Klägerin und dem des Zeugen S. sei der Beißattacke des Rottweilers aber gerade nicht vorausgegangen. Vielmehr habe der Hund der Klägerin den Border-Collie unvermittelt und überraschend angegriffen, ohne dass der gebissene Hund überhaupt Gelegenheit zu einer Abwehrreaktion oder Unterwerfungsgeste gehabt hätte. In Folge dessen könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine solche Unterwerfungsgestik des gebissenen Hundes unterblieben sei.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Hundehaltungsverbot wiederholte Verstöße gegen das LHundG NRW

Hundehaltungsverbot auf Grund wiederholter Verstöße gegen das LHundG NRW

Jeder Hundehalter muss ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen.“

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2011, Az. 6 L 198/11

Der Sachverhalt

Der Kangal-Rüde (65 kg) der Antragstellerin wurde auf Grund von mindestens zwei Beißvorfällen mit anderen Hunden, wobei in einem Fall auch der gegnerische Halter verletzt wurde, als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW eingestuft. Eine vorherige Begutachtung der Amtsveterinärin fand statt.

Die Antragstellerin hat durch die Haltung ihres Hundes auch wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW bzw. aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen. Sie hat weder den erforderlichen Sachkundenachweis zum Führen von gefährlichen Hunden oder den zum Führen von großen Hunden vorgelegt. Die Nichtvorlage hat die Antragsgegnerin bereits mit Bußgeldbescheid vom 13. März 2010 – erfolglos – geahndet. Auch die hierauf gerichtete und bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 15. Juli 2010 blieb unbeachtet.

Weiterhin hat die Antragstellerin mehrfach gegen den angeordneten Maulkorb- und Leinenzwang verstoßen. Wegen verschiedener – teilweise angezeigter, teilweise durch Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin aus eigener Wahrnehmung festgestellter – Verstöße wurden die angedrohten Zwangsgelder mit Ordnungsverfügungen jeweils in Höhe von 500 Euro bestandskräftig festgesetzt.

Mit Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Mai 2011 wurde der Antragstellerin das Halten ihres Hundes untersagt und ihr unter Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgegeben, den Hund innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung in die Obhut des Tierheimes zu geben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Das Gericht wies den Antrag zurück.

Die Voraussetzungen für die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützte streitgegenständliche Maßnahme seien vorliegend gegeben.

Bei dem Hund der Antragstellerin handele es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW. Danach seien im Einzelfall gefährliche Hunde u.a. solche Hunde, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah (Nr. 3), sowie Hunde, die einen anderen Hund durch Biss verletzt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben (Nr. 5).

Der Kangalrüde habe unstreitig einen Menschen gebissen, ohne dass dies zur Abwehr einer strafbaren Handlung geschah. Damit erfülle er zunächst dem Wortlaut nach ohne weiteres die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.

Allerdings gehöre Beißen (als Schreck- oder Abwehrreaktion) zum arttypischen Verhalten eines Hundes, so dass nicht jeder Beißvorfall ohne Würdigung des konkreten Sachverhaltes eine Bissigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW belegen könne. Folgerichtig und zutreffend führen die Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz (VV LHundG NRW) unter Ziffer 3.3.1.3 zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW deshalb auch aus:

„Soweit eine Hundehalterin oder ein Hundehalter bei einer Beißerei unter Hunden gebissen wurde oder Umstände vorliegen, bei denen der Biss auf einer reflexartigen Abwehrreaktion des Hundes beruhte (z.B. wenn eine Person versehentlich auf die Rute tritt) soll die amtliche Tierärztin/der amtliche Tierarzt den Hund begutachten. Ziel der Begutachtung ist herauszufinden, ob die Einstufung als gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 gerechtfertigt ist. Die örtliche Ordnungsbehörde soll das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten.“

Eine derartige Begutachtung durch die Amtstierärztin und Würdigung durch die Antragsgegnerin habe hier stattgefunden.

Bei dieser Sachlage sei für eine die Gefährlichkeit des Hundes nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW verneinende Einschätzung kein Raum.

Ob darüber hinaus auch die Alternative der Nr. 5 erfüllt ist, ob der Hund der Antragstellerin

Durch die wiederholten Verstöße der Antragstellerin seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW erfüllt.

Daneben würden auch hinreichende Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin nicht die für das Halten gefährlicher Hunde erforderliche Zuverlässigkeit besitze (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 7 LHundG NRW bzw. – hier ebenfalls einschlägig – für große Hunde: § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LHundG NRW), weshalb zusätzlich auch – ungeachtet des Fehlens des erforderlichen Sachkundenachweises – die Erlaubnisvoraussetzungen für das Halten eines gefährlichen Hundes nicht vorliegen würden.

Jeder Hundehalter müsse ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit der Hundehaltung ergeben, jederzeit und überall zu erfüllen. Unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes ist daher, wer keine Gewähr dafür biete, dass er seinen Hund ordnungsgemäß, d.h. in einer Weise halten wird, dass von dem Hund keine Gefahren ausgehen werden. Unerheblich sei hierbei, aus welchen Gründen der Hundehalter zu einer ordnungsgemäßen Hundehaltung nicht imstande sei. Unzuverlässigkeit setze daher auch weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Hundehalters voraus.

Hiervon ausgehend spreche viel dafür, dass die Antragstellerin unzuverlässig im Sinne des Landeshundegesetzes sei. Maßgeblich für diese Einschätzung sei der Umstand, dass die Antragstellerin trotz verschiedener aktenkundiger mündlicher und schriftlicher Belehrungen und sogar ungeachtet eines Bußgeldbescheides und mehrfacher Zwangsgeldfestsetzungen über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt und schwerwiegend ihre Halterpflichten missachtet habe. Insoweit gehöre es auch zu den Pflichten eines zuverlässigen Hundehalters sicherzustellen, dass der jeweilige Hundeführer seinerseits die Anforderungen des Landeshundegesetzes erfülle bzw. den hierzu ergangenen Anordnungen (hier: Maulkorbpflicht) Folge leiste. Tue er dies wiederholt nicht, wirke sich das zu Lasten des Hundehalters aus. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten daher gezeigt, dass sie nicht willens oder nicht in der Lage ist, ihren Hund so zu halten, wie das Gesetz bzw. die hierzu ergangenen Anordnungen es zur Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit von ihr verlangen.

Zwangsgeld und Androhung der Sicherstellung bei Verstößen gegen den Leinen und- Maulkorbzwang

Zwangsgeld und Androhung der Sicherstellung bei Verstößen gegen den Leinen und- Maulkorbzwang

VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Juni 2013, Az. 18 K 2798/13

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist Halterin eines ca. 40 kg schweren und ca. 50 cm großen, gechipten und „T“ gerufenen Labrador/Belgischer Schäferhund-Mix-Rüden.

Nach einem Beißvorfall vom 12. April 2011 und einer anschließenden amtstierärztlichen Begutachtung gab ihr das Ordnungsamt der Beklagten auf, dass T außerhalb befriedeten Besitztums an einer kurzen, reißfesten Leine (Maximallänge 1,50 m) zu führen sei. Außerdem wurde ihr aufgegeben, sicherzustellen, dass T nur von Aufsichtspersonen ausgeführt wird, die in der Lage sind, den Hund in jeder Situation zu beherrschen. Bei Nichtbeachtung dieser Verfügung wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 800 Euro angedroht.

Zwei Jahre später führte der Schwager der Klägerin den Hund der Klägerin unangeleint aus. Hierbei biss T einen Jack Russel Terrier in den Kopf. Wegen Verletzung der Anleinpflicht verhängte das Ordnungsamt gegen die Klägerin das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 800 Euro. Außerdem ordnete das Ordnungsamt einen Maulkorbzwang für T an und drohte die Sicherstellung des Hundes an für den Fall zukünftiger Nichtbeachtung des bereits festgesetzten Leinenzwangs und des Maulkorbzwangs.

Gegen das Zwangsgeld, den Maulkorbzwang und die Androhung der Sicherstellung erhob die Klägerin Klage.

Das Urteil

Die Klage wurde abgewiesen.

Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei rechtmäßig gewesen, es käme nicht darauf an, dass der Schwager der Klägerin in der Vergangenheit zuverlässig gewesen sei, die zivilrechtliche Exkulpation des Auftraggebers für den Verrichtungsgehilfen nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB im Bereich des Ordnungsrechts mangels Regelungslücke nicht anwendbar sei.

Auch der Maulkorbzwang sei rechtmäßig gewesen. Von T ginge die Gefahr aus, dass er andere Hunde grundlos, insbesondere ohne angegriffen worden zu sein, beiße. Diese Gefahr habe sich bereits zwei Mal spontan verwirklicht und sei deshalb gegenwärtig. Es sei jederzeit im Sinne von täglich mit neuen Angriffen von T auf kleinere Hunde zu rechnen. Erneute Angriffe könnten durch den Maulkorbzwang nicht verhindert werden. Der Maulkorbzwang gewährleiste jedoch, dass die angegriffenen Hunde weniger schwer verletzt würden. Daher sei der Maulkorbzwang auch verhältnismäßig. Die Anordnung eines Maulkorbzwangs bei jedem Ausführen von T sei zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen, insbesondere anderen Hunden, nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auch keine Ermessensentscheidung, sondern zwingend. Dies ergebe sich aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW. Nach dieser Vorschrift sei gefährlichen Hunden ein das Beißen verhindernder Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Verrichtung anzulegen. T sei ein im Einzelfall gefährlicher Hund i.S.d. § 3 Abs. 3 LHundG NRW. Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 5 LHundG NRW sei ein Hund im Einzelfall gefährlich, wenn er einen anderen Hund durch Biss verletzt habe, ohne selbst angegriffen worden zu sein.

Zuletzt sei auch die Anordnung der Sicherstellung als Maßnahme zur Vollstreckung von Verstößen gegen den Leinen  und Maulkorbzwang rechtmäßig.

Das unangeleinte oder maulkorblose Ausführen von T stelle wegen dessen Unberechenbarkeit insbesondere beim Zusammentreffen mit kleineren Hunden eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 43 Nr. 1 PolG NRW dar. Die angedrohte Sicherstellung sei auch ermessensfehlerfrei. Vorliegend kämen überhaupt nur die Zwangsmittel Zwangsgeld oder Sicherstellung in Betracht. Der Klägerin sei aber mit einem Zwangsgeld schon deshalb nicht mehr wirksam zu drohen, weil sie am 26. März 2011 die eidesstattliche Versicherung geleistet habe. Angesichts der völligen Einsichtsfreiheit der Klägerin in die ihr als Hundehalterin obliegenden Pflichten, die durch den Verwaltungsvorgang dokumentiert sei, sei bei erneuten Verstößen gegen den Leinen  oder Maulkorbzwang die Sicherstellung von T zum Schutze der Allgemeinheit vor den von diesem ausgehenden Gefahren alternativlos.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Zur Höhe des Schadensersatzes bei der Verletzung von Tieren

Zur Höhe des Schadensersatzes bei der Verletzung von Tieren

Zur Ermittlung der noch verhältnismäßigen Heilbehandlungskosten bedarf es stets einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls seitens des Tatrichters. Dabei kann auch das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier von Bedeutung sein.“

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2015, Az. VI ZR 23/15

Der Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Jack-Russel-Mischlings, den er im Jahre 2012 für 250 Euro einem Tierheim abgekauft und der sich zu einem durchschnittlichen Familienhund entwickelt hat. Die Ehefrau des Klägers passiert auf einem Spaziergang in Begleitung des nicht angeleinten Hundes das Grundstück des Beklagten, auf dem sich ein ebenfalls nicht angeleinter Wolfshund, dessen Halter der Beklagte ist, befindet. Die Hunde begegnen sich am Gartenzaun, der Wolfshund springt über den Zaun und fügt der deutlich kleineren Mischlingshündin erhebliche Verletzungen zu. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beißerei zwischen den Hunden hätte verhindert werden können, wenn die Ehefrau des Klägers die Mischlingshündin angeleint hätte. Der Beklagte seinerseits hat es fahrlässig unterlassen, für eine hinreichend Einzäunung seines Grundstücks zu sorgen.

Die tierärztliche Behandlung kostet 4.177,59 Euro. Die Tierhalterversicherung des Beklagten erstattete dem Kläger die Hälfte dieses Betrags. Der Kläger verlangt von dem Beklagten die restlichen Kosten ersetzt. Der Beklagte widerspricht, weil die Kosten im Verhältnis zum Wert des Hundes zu hoch seien. Zudem weist er darauf hin, dass – was zutrifft – am Wohnsitz des Klägers für den Unterhalt eines Hundes jährlich ca. 1.000 Euro (Tierarzt, Steuer, Futter etc.) anfallen.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 1.253,28 € nebst Zinsen verurteilt, wobei es auf Grund der von dem Hund des Klägers ausgehenden Tiergefahr eine Mithaftung des Klägers zu 20% angenommen hat (4.177,59 € x 80% abzüglich vorgerichtlich gezahlter 2.088,80 €). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils abgewiesen, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 311,20 € nebst Zinsen verurteilt worden war; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Der Beklagte hat Anschlussrevision mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt.

Das Urteil

Die Revision bleibe ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Bemessung der Anspruchshöhe wende. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach nicht der für die Heilbehandlung aufgewandte Geldbetrag in Höhe von 4.177,59 € ersatzfähig sei, sondern der Beklagte dem Kläger nach § 251 Abs. 2 BGB iVm § 249 BGB – vorbehaltlich der Prüfung des Mitverschuldens – Ersatz der Heilbehandlungskosten in Höhe von 3.000 € schulde, halte revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Ohne durchgreifenden Rechtsfehler habe das Berufungsgericht die entstandenen Aufwendungen als unverhältnismäßig angesehen.

Der zum Schadensersatz Verpflichtete habe dem Geschädigten gemäß § 249 Abs. 1 BGB vollständige Restitution zu leisten. Im Fall der Beschädigung einer Sache – entsprechend sei die Verletzung eines Tieres zu behandeln – könne der Geschädigte statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB könne der Ersatzpflichtige allerdings den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich sei. Diese Ersetzungsbefugnis könne der Schuldner auch gegenüber dem Zahlungsanspruch aus § 249 Abs. 2 BGB geltend machen. Sie sei eine besondere Ausprägung von Treu und Glauben und begrenzt die Ersatzpflicht unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeitsgrenze sei durch eine Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln, bei der auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis zu berücksichtigen seien.

Im Fall der Verletzung eines Tieres bestimme § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB angesichts der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung, dass die aus der Heilbehandlung des Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig seien, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Das bedeute zwar nicht, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz in unbegrenzter Höhe bestehe, verlange aber, dass dem Interesse des Schädigers, nicht mit den Behandlungskosten belastet zu werden, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur der Wert des Tieres gegenübergestellt werde, sondern auch das aus der Verantwortung für das Tier folgende immaterielle Interesse an der Wiederherstellung seiner Gesundheit und seiner körperlichen Integrität. So könnten bei Tieren mit einem geringen materiellen Wert Behandlungskosten auch dann ersatzfähig sein, wenn sie ein Vielfaches dieses Wertes ausmachen würden. Nach Auffassung des Gesetzgebers komme es für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze auf das Maß des Verschuldens des Schädigers, das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier sowie darauf an, ob die aufgewendeten Heilbehandlungskosten aus tiermedizinischer Sicht vertretbar gewesen seien.

Entgegen der Auffassung der Revision habe sich das Berufungsgericht – auch in Ansehung einer einzelnen missverständlichen Wendung – nicht unter Verkennung der Mitgeschöpflichkeit der Tiere von rein wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Es habe den von ihm als gering eingeschätzten Wert des Tieres gerade wegen seiner Geringfügigkeit nicht als sachgerechten Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der Verhältnismäßigkeitsgrenze angesehen, sondern habe maßgeblich auf das immaterielle Interesse an der Durchführung der Heilbehandlung abgestellt.

Dass es ausgehend von dieser Würdigung der konkreten Umstände des Streitfalles die Verhältnismäßigkeitsgrenze letztlich bei dem dreifachen Betrag der jährlichen Kosten der Tierhaltung gezogen habe, halte sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Zwar habe der Gesetzgeber es abgelehnt, die Grenze der Zumutbarkeit als Haftungsgrenze danach zu bestimmen, was ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte, um zu ermöglichen, dass weitestgehend ein sachgerechter Interessenausgleich erreicht werden könne. Doch habe er diesen Gesichtspunkt damit nicht als einen unter mehreren im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls verworfen.

Dadurch, dass der Kläger die nicht nur geringfügigen „Unterhaltungskosten“ freiwillig aufbringe, zeige er, was ihm die Haltung des Tieres mindestens wert sei.

Der Kläger könne – wie das Berufungsgericht angenommen habe – vom Beklagten gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die als verhältnismäßig erachteten Heilbehandlungskosten seines Hundes verlangen (3.000 €). Insoweit habe der Gesetzgeber mit § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Ausnahmeregelung im Sinne von § 90a Satz 3 BGB geschaffen, mit der die Ersetzungsbefugnis des Schuldners nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeschränkt werde und der geschädigte Tierhalter Wiederherstellung in Höhe der verhältnismäßigen Heilbehandlungskosten beanspruchen könne.

Einem Tier, das im Einzelfall auch einmal keinen materiellen Wert haben könne, solle durch die Rechtsordnung die erforderliche Heilbehandlung nicht deshalb verwehrt werden, weil die Behandlungskosten auf den Wert begrenzt würden, der dem Wert des Tieres im Geschäftsverkehr entspreche, und der Eigentümer des Tieres nicht über die für die Heilbehandlung erforderlichen Geldmittel verfüge. Daher werde eine Regelung vorgeschlagen, die den vollen Ersatz der Heilbehandlungskosten vorsehe, soweit sich die entstehenden Kosten im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeit hielten.

Für dieses Verständnis der §§ 249, 251 Abs. 2 BGB könne ferner angeführt werden, dass sich bei der Verletzung von Tieren in zahlreichen Fällen das den Schädiger treffende Prognoserisiko verwirklichen dürfte. Denn Heilbehandlungen sind hinsichtlich Dauer, Umfang und damit auch Kosten oft unübersehbar und deshalb mit Reparaturen nicht vergleichbar, insbesondere wenn Verletzungen ein unverzügliches ärztliches Handeln fordern.

Mit Erfolg beanstande die Revision dagegen die Anrechnung der Mithaftung auf Seiten des Klägers. Eine Mithaftung im Umfang von 20% stehe nicht rechtskräftig fest.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers sei nicht wegen eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Zwar habe das Berufungsgericht festgestellt, dass der Hund des Klägers nicht angeleint war. Das führe aber jedenfalls deshalb nicht zu einer Anspruchskürzung, weil den Mitverschuldenseinwand nur ein Verhalten begründe, von dem feststehe, dass es zu dem Schaden oder dessen Umfang beigetragen habe. Eine solche Feststellung habe das Berufungsgericht nicht getroffen. Es sei nicht davon ausgegangen, dass die Beißerei verhindert worden wäre, wenn der Hund angeleint gewesen wäre.

Der Kläger müsse sich auch nicht entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB die von seinem Hund ausgehende Tiergefahr anspruchsmindernd anrechnen lassen. Dieser habe zwar nach den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Amtsgerichts seinen Kopf durch den Zaun gesteckt, darin läge auch ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbständiges Verhalten, das eine (Mit-)Haftung aus § 833 Satz 1 BGB begründen könne; der Zurechnung stehe aber § 840 Abs. 3 BGB entgegen, wonach der Tiergefahr gegenüber der Verschuldenshaftung aus § 823 BGB keine Bedeutung zukomme.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Schmerzensgeldanspruch für tiermedizinische Fachangestellte bei Hundebiss

Schmerzensgeldanspruch für tiermedizinische Fachangestellte bei Hundebiss

Eine in einer Tierarztpraxis beschäftigte Angestellte, die bei der Behandlung eines Hundes von diesem in den Unterarm gebissen wird und hiernach stationär sowie ambulant behandelt werden muss und eine deutlich sichtbare Narbe zurückbehält, hat gegen den Tierhalter einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 2.700 Euro.“

Amtsgericht Frankenthal, Urteil vom 07. Juli 2016, Az. 3a C 66/16 

Der Sachverhalt

Die zum damaligen Zeitpunkt in der Tierarztpraxis beschäftigte Klägerin, die eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten absolvierte, wurde von der siebenjährigen Rottweilerhündin, deren Halter der Beklagte ist, und die von den Zeugen A und S, den Söhnen des Beklagten, mit einer Vorderfußverletzung in die Praxis gebracht worden ist, bei dem Versuch, die Hündin auf dem Röntgentisch zu drehen, in den linken Unterarm gebissen.

Die Klägerin erlitt dabei eine Riss-Quetschwunde am Unterarm links sowie eine Hyposensibilität im Bereich des Versorgungsgebietes des Nervus cutaneus antebrachii medialis, die periphere Durchblutung und Motorik blieben intakt. Der nachfolgende operative Eingriff verlief komplikationslos, intraoperativ konnte eine Verletzung des Nervus cutaneus antebrachii medialis ausgeschlossen werden. Unter einer intravenösen Antibiose mit Ampicillin, Sulbactam, waren die initiale Rötung und Schwellung der mit vier Stichen genähte Wunde rückläufig im weiteren Heilungsverlauf stellten sich, mittlerweile nicht mehr vorhandene, Gefühlsstörungen am linken Unterarm ein, es blieb eine deutlich sichtbare Narbe zurück. Die Beeinträchtigungen erstreckten sich über 3 Monate.

Die Tierhalterhaftpflichtversicherung lehnte eine Regulierung des Schadens ab.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auf eigene Gefahr gehandelt habe, zumindest habe das ursächliche Fehlverhalten der Klägerin gemäß § 254 BGB zum Ausschluss des Anspruchs geführt, denn es sei eine Sedierung des Hundes bzw. das Anlegen eines Maulkorbes geboten gewesen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von Schmerzensgeld und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Das Urteil

Die Klägerin habe gegen den Beklagten als Haltererin der Rottweilerhündin einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gemäß §§ 833 Abs. 1, 253 Abs. 1 BGB, das in Höhe von 2.700,00 € als ausreichend aber angemessen erachtet wurde, § 287 ZPO.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Schutzzweck der Gefährdungshaftung nur dann nicht mehr betroffen, wenn der Geschädigte die Herrschaftsgewalt über ein Tier im eigenen Interesse und in Kenntnis der damit verbundenen besonderen Tiergefahr übernehme; eine Tierarzthelferin, die einen Hund in Auftrag des Halters medizinisch versorge, §§ 611, 675, 278 BGB, handele nicht auf eigene Gefahr, sondern zur Erfüllung eines Behandlungsvertrages. Die Einstandspflicht des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB für dabei entstandene Schäden der Tierarzthelferin sei in diesen Fällen gerechtfertigt. Ein Mitverschulden der Tierarzthelferin bei der Schadensentstehung sei allein nach § 254 Abs. 1 BGB, wofür der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet sei, zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe der Beklagte nicht mit der zur Überzeugung des Amtsgerichts erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, dass der Klägerin ein Mitverschulden, § 254 Abs. 1 BGB, an der Schadensentstehung anzulasten sei.

Die Klägerin habe angegeben, dass der Hund sie freudig begrüßt habe, als er in die Praxis gekommen sei, weshalb sie keine Gefährdung angenommen habe. Mit dem Hund habe es daneben zuvor keine Vorfälle gegeben, die auf ein aggressives Verhalten hätten hindeuten können.

Soweit der Zeuge S demgegenüber angegeben habe, der Hund habe bei der Vorstellung in der Praxis Schmerzen gehabt, seiner Erinnerung nach gehumpelt, er habe sich an der Vorderpfote immer wieder gebissen und geleckt, habe der Hund dennoch kein auffälliges Verhalten gezeigt, man habe ihn streicheln können mit Ausnahme der Pfote.

Die Tierärztin habe nachvollziehbar das Bedürfnis nach einer Sedierung des Tieres unter Abwägung der Vor- und Nachteile verneint, wären Anhaltspunkte dafür da gewesen, dann hätte sie zunächst einmal Schmerzmittel verabreicht und eine Wiedervorstellung vereinbart. Dies wäre auch der Fall gewesen, sofern das Bedürfnis für das Anlegen eines Maulkorbs gegeben gewesen wäre, was die Zeugin (Tierärzti) indes verneint habe.

Aufgrund der Gesamtumstände, insbesondere der erforderlichen Behandlungs- und Beeinträchtigungsdauer von 3 Monaten sowie der Notwendigkeit der stationären Behandlung vom 07. – 09.04.2015 in der BG Klinik Ludwigshafen sowie der nachfolgenden ambulanten Behandlung und einer deutlich sichtbaren Narbe am linken Unterarm der 1992 geborenen Klägerin, erscheine – auch unter Berücksichtigung des Regulierungsverhaltens der Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beklagten – ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.700,00 € als ausreichend aber auch angemessen, §§ 253 Satz 1, 287 ZPO.

Der Beklagte sei daneben verpflichtet, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 € zu erstatten, §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 4, 280 Abs. 1, 249 ff. BGB.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Schadenersatz und Schmerzensgeldanspruch gegen einen Hundesportverein

Schadenersatz und Schmerzensgeldanspruch gegen einen Hundesportverein und eines seiner Mitglieder aufgrund eines durch einen Hund verursachten Sturzes

Landgericht Bonn, Urteil vom 29. August 2016, Az. 13 O 393/15

Der Sachverhalt

Der Kläger sowie die Beklagte haben jeweils einen Hund und sind jeweils Mitglieder desselben Hundesportvereins. In der Satzung des Vereins ist geregelt, dass auf die vereinsinterne Verpflichtung zum Abschluss der Tierhalterhaftpflicht besonders zu achten ist.

Bei dem Hund der Beklagten handelt es sich um eine so genannte Antikdogge, welche in der Regel eine Schulterhöhe von ca. 55 – 70 cm und ein Körpergewicht von 40 – 60 kg erreicht. Im Zeitpunkt des Unfalls hatte die Beklagte keine Tierhalterhaftpflichtversicherung.

Am 16.12.2012 ließen der Kläger und die Beklagte ihre Hunde nach einer Übungsstunde auf dem vorgenannten Hundeplatz freilaufen und spielen. Es kam zu einem Sturz des Klägers. Der Hund der Beklagten ist nach einer plötzlichen Drehung ohne einen erkennbaren Grund in vollem Lauf mit dem Kopf gegen das linke Knie des Klägers geprallt und hat ihn von den Füßen gerissen. Der Kläger ist ohne eine Abwehrmöglichkeit auf sein Gesicht gefallen. Der Kläger erlitt einen Trümmerbruch des Tibiakopfes sowie eine Nasenprellung, wurde er stationär behandelt und musste sich zwei Operationen unterziehen. Er war in seiner Beweglichkeit erheblich beschränkt und erlitt infolge des Sturzes Folgeschäden, nämlich eine Diabetes, eine Polyneuropathie in den Füßen sowie eine Arthrose bzw. Coxarthrose, wobei letztere eine weitere Operation und den Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks erfordert. Es verblieben erhebliche Schäden, die den Kläger insbesondere in der Ausübung seines Berufs als Zahnarzt beeinträchtigen.

Der Kläger behauptet, dass er die Nutzung des Hundeplatzes durch ihn und die Beklagte mit dem Übungsleiter abgestimmt habe.

Der Kläger begehrt von der Beklagten und dem Hundesportverein Schadensersatz wegen des Unfalls.

Das Urteil

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von EUR 16.000,00 aus § 833 Satz 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 1 und 2 BGB.

Die Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB lägen vor. Die Beklagte sei Halterin einer Antikdogge, welche eine Körperverletzung und Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers, nämlich einen Trümmerbruch des Tibiakopfes, eine Nasenprellung sowie mehrere „blaue Flecke“ verursacht habe, indem sie nach einer plötzlichen Drehung ohne einen erkennbaren Grund in vollem Lauf mit dem Kopf gegen das linke Knie des Klägers geprallt sei und ihn von den Füßen gerissen habe. Hierdurch habe sich auch die nach § 833 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche spezifische Tiergefahr verwirklicht, da die Gefährdung des Klägers nach seinem Vortrag durch ein unberechenbares und selbständiges Verhalten des Hundes der Beklagten hervorgerufen worden sei.

Entgegen der Ansicht des Klägers rechtfertige der von ihm vorgetragene Sachverhalt jedoch lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 16.000,00. Ein darüberhinausgehendes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens EUR 25.000,00 sei nicht zuzusprechen gewesen.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes seien auf der einen Seite zunächst die Art der Körperverletzungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers zu berücksichtigen.

Auf der anderen Seite sei bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls am 16.12.2012 58 Jahre alt gewesen sei und demnach im Hinblick auf seine Berufstätigkeit weniger als 10 Jahre bis zur Erreichung der Altersgrenze verblieben würden. Ferner wirke sich mindernd auf die Bemessung des Schmerzensgeldes aus, dass die Beklagte lediglich im Rahmen einer Gefährdungshaftung hafte und ein Verschulden der Beklagten hinsichtlich des Sturzes des Klägers nicht ersichtlich sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger mit der Beklagten und ihrem Hund verabredet habe und die Hunde des Klägers sowie der Beklagten zusammen spielten.

Unter Berücksichtigung sämtlicher vorbenannter Umstände sei dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 16.000,00 zuzusprechen.

Der Kläger habe jedoch gegen den Hundesportverein weder einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz noch einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus § 280 Abs. 1 BGB.

Zwar stelle die Vereinsmitgliedschaft eine vertragsähnliche Sonderverbindung dar, auf welche § 280 Abs. 1 BGB anwendbar sei. Das Vereinsmitglied könne Schadensersatz verlangen, wenn der Verein ihm gegenüber eine sich aus der Satzung oder dem Mitgliedschaftsverhältnis ergebende Pflicht schuldhaft verletzt habe. Jedoch läge bereits keine Pflichtverletzung des Vereins vor.

Entgegen der Ansicht des Klägers folge aus der Vereinssatzung nicht zweifelsfrei eine Überwachungs- bzw. Kontrollpflicht des Vereins dahingehend, dass er zu überwachen und kontrollieren habe, dass seine Mitglieder eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen hätten.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp